Freitag, 28. Oktober 2016

Einblick in das Geldsystem

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Ein fundamentales Missverständnis oder eher Nicht-Verständnis liegt darin, dass den meisten nicht bekannt ist, dass ihr Geld auf dem Konto nicht das selbe wie ihr Bargeld ist. Bargeld zählt nämlich zum gesetzlichen Zahlungsmittel (oder Zentralbankgeld), während das virtuelle Giralgeld auf unseren Konten lediglich eine Forderung auf Bargeld darstellt und damit auch nicht vom Staat garantiert wird. Giralgeld ist also nur ein Anspruch auf Bar- oder Zentralbankgeld, welches die Bank womöglich gar nicht in diesem Ausmaß parat hält.

Die Tatsache, dass dieses Geld dennoch wie gesetzliches Zahlungsmittel angenommen wird, hat ihre Begründung darin, dass es theoretisch jederzeit in solches eingetauscht werden kann. Dies ist real jedoch nur eine Utopie, denn dank einer Mindestreserve von 1% im Euroraum, müssen Banken eben nur 1% ihrer Kundeneinlagen tatsächlich in Zentralbankgeld bereit halten. Deshalb ist der „Bank-Run“ unter Banken auch so gefürchtet und es wird diskutiert das Bargeld abzuschaffen, da die Zinsen auf ein Girokonto gegen Null gehen. Ein Bank-Run wäre dann unmöglich und die Banken müssten sich keine Sorgen mehr machen, dass ihre Kunden das Geld abziehen. Angela Merkel verkündete in Anbetracht einer solchen massiven Nachfrage nach Bargeld, die Einlagen der deutschen Sparer wären sicher und die Bundesregierung stünde sogar dafür ein - das ist natürlich völlig unmöglich und dient nur der Beruhigung der Öffentlichkeit. Ohne Bargeld wäre gesetzliches Zahlungsmittel für uns jedoch gar nicht mehr verfügbar, denn dieses ist für uns nur in Form von Bargeld erhältlich, virtuell und direkt von der Zentralbank bekommen es nur Banken oder Mitarbeiter der Zentralbank.

Kommen wir zu einer weiteren Fehlvorstellung: Der Kreditvergabe durch Banken. Ein Kredit besteht nicht etwa, wie es suggeriert wird, aus den Einlagen der Kunden einer Bank, sondern aus neu geschöpftem Geld. Das funktioniert ganz einfach, für einen neu vergebenen Kredit generiert die Bank über einen Buchungssatz neues Geld auf dem Konto des Kunden – aus dem Nichts. Aufgrund der Mindestreserve muss die Bank jedoch 1% des Kreditwertes in Zentralbankgeld bereit halten, welches sie sich von der Zentralbank bei einem Leitzins unter 1% leihen kann. Vergibt die Bank also einen Kredit in der Höhe von 1 Mio. Euro, so leiht sie sich 10.000 Euro Zentralbankgeld für Zinszahlungen unter 100 Euro – ein gutes Geschäft wie leicht ersichtlich ist. Ist der Kredit zurück bezahlt so wird dieses Geld wieder terminiert, jedoch behält die Bank die Zinszahlungen für sich. Diese Geldschöpfungsgewinne sind es unter anderem, welche die Banken so reich und mächtig machen.

Vor diesem Hintergrund lassen sich die Zinsen welche Banken auf vergebene Kredite einfordern stark hinterfragen, denn das Geld welches samt Zinsen zurück gezahlt wird hat vorher gar nicht existiert. Dazu kommt das Problem, dass zum Zurückzahlen der Zinsen im System als ganzes immer mehr Geld benötigt wird, sprich es muss neues Geld geschöpft und in Umlauf gebracht werden. Dies kann aber nur gut gehen so lange die Geldschöpfung im Einklang mit der Wertschöpfung steht, sonst verliert das Geld gezwungener Maßen seinen Wert, da es im Übermaß vorhanden ist. Heutzutage, in einer Zeit, in der die meisten Kredite aber in den Konsum und die Finanzwirtschaft fließen oder zum Zurückzahlen von Schulden verwendet werden, ist das offensichtlich nicht der Fall.

In Bezug auf den Zins führt die Frage der Profiteure ebenfalls zu unangenehmen Erkenntnissen, denn wer viel Geld besitzt profitiert von niedrigen, wie auch hohen Zinsen. Ein niedriger Zins der Banken nützt insofern, da dadurch viel Geld über Kredite in Umlauf kommt, was zu einer erhöhten Nachfrage nach Immobilien oder Aktien führt. Das ist gut für jene die viele solcher Anlagen besitzen. Sind die Zinsen hoch, so ist es profitabel selbst Kredite zu vergeben oder das Geld durch Anleihenkauf Unternehmen zur Verfügung zu stellen, denn diesen kommt das womöglich günstiger als Bankkredite.

All diese Probleme haben sich über die vergangenen Jahrzehnte gewaltig aufgeschaukelt, viele Staaten können ihre Schulden mathematisch nicht mehr zurück bezahlen und sind somit theoretisch Bankrott. Darüber hinaus äußert sich die Verantwortungslosigkeit der Finanzwirtschaft immer öfter in sogenannten "Bail-Outs", welche die Steuerzahler Milliardenbeträge kosten, was damit begründet wird die Banken seien systemrelevant. Nicht begründet wird jedoch warum sie nicht Verantwortung für ihre eigenen Fehlinvestitionen übernehmen müssen. Deshalb finde ich, sollte man sich grundsätzliche die Fragen über alternative Geldformen stellen, die parallel zum derzeitigen Geld eingeführt werden können. Das Vollgeld, auf welches ich in einem kommenden Beitrag eingehen werde, verspricht eine aussichtsreiche Lösung für unsere heutigen Geldprobleme zu sein.

Weiterführende Literatur: Christoph Pfluger - Das nächste Geld.

Dienstag, 25. Oktober 2016

Zucht und Gentechnik

Das Thema gentechnisch modifizierte Lebensmittel ist nach wie vor höchst umstritten. Es mangelt nicht an Argumenten für oder gegen, jedoch wissen wir wenig über die Auswirkungen solcher Lebensmittel und erst recht schwierig wird es eine Linie zu ziehen, zwischen dem, was erlaubt und was nicht erlaubt sein sollte. Hier einige Fragen und Überlegungen zum Thema, um eine persönliche Entscheidung zu erleichtern.

Es ist nicht so als ob die Menschen erst mit genetisch modifizierten Pflanzen Eingriffe in die Natur, zum Zwecke der Verbesserung vornehmen. Wobei eine Verbesserung zum Beispiel in wirtschaftlichen (erhöhter Ertrag) oder gesundheitlichen (verträglichere Lebensmittel) Formen erreicht werden kann. Jedoch lässt sich die Gentechnik von der Zucht in einigen Punkten eindeutig abgrenzen, wodurch ein roter Faden zwischen den beiden Techniken gezogen werden kann.

Differenzierung
Die Entstehung neuer Arten, wie in der künstlichen Zucht durch Menschen, existiert in der Natur schon seit jeher, etwa in Form von Zufallskreuzungen (die Hybridrebe ist ein Beispiel hierfür). Wissenschaftlich wurde das Thema durch Gregor Mendels Forschungsarbeiten revolutioniert: Er führte Kreuzungsversuche an Erbsen durch, indem er Erbsen mit dem Blütenstaub anderer Erbsenarten bestäubte und so Gene von einer Art auf die andere Art übertrug, um neue Arten zu schaffen. Grundsätzlich kommt in der Zucht und der Gentechnik also dasselbe Prozedere zur Anwendung, Gene werden von einem Lebewesen auf ein anderes übertragen, wobei dies zu vorteilhaften Eigenschaften im neu erschaffenen Lebewesen führen soll. Die Zucht beschränkt sich jedoch auf Arten innerhalb einer Gattung. Es ist nicht möglich, wie in der Gentechnik, Gene von verschiedenen Gattungen aufeinander zu übertragen. In der Gentechnik ist sogar die Übertragung von Bakteriengenen auf Tiere möglich, was selbstverständlich um eine Vielzahl mehr Möglichkeiten zur Erschaffung neuer Arten bedeutet. Ein weiterer Unterschied liegt in der Tatsache, dass in der Gentechnik bestimmte Gene einzeln übertragen werden könne, während in der Zucht keine Kontrolle über die übertragenen Gene besteht. Schlussendlich ist die Gentechnik also eine verfeinerte Art der Zucht, welche nur unter künstlichen Bedingungen möglich ist.

Grundsätzliches
Auf Basis dieser Erkenntnisse lässt sich also sagen, dass weder die Zucht noch die Gentechnik per se schlecht oder gut sind. Mit beiden Techniken können sowohl mehrheitlich vorteilhafte wie auch mehrheitlich nachteilige Ergebnisse erzeugt werden. Jedoch kann darüber diskutiert werden wie sinnvoll oder notwendig die Methoden sind. Aufgrund der Aktualität und der beschränkten Möglichkeiten der Zucht, werde ich dies zum Thema Gentechnik etwas ausführen.

Um die Fragen der Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit zu beantworten, sollte man sich erst die verfolgten Ziele vor Augen führen. Nehmen wir hier als Beispiel die Landwirtschaft, denn gerade dieser Bereich wird stark von gegenteiligen Meinungen dominiert. Die einen befürworten Produkte wie “Gen-Mais”, die andern sind strikt dagegen. Welches Ziel kann also mit einem solchen Produkt verfolgt werden? Das könnte die Erhöhung des Ernteertrags sein, das Immunisieren der Pflanze gegen Schädlinge oder aber Pestizide, das Entfernen von Allergenen oder auch eine Änderung des Geschmacks. Egal welches Ziel verfolgt wird, einige Fragen sollte sich jeder stellen um eine Meinung zu dem Thema beziehen zu können.

Davor aber noch etwas grundsätzliches, das zur Beantwortung dieser Fragen immer berücksichtigt werden sollte. Die Gentechnik steckt noch in ihren Kinderschuhen und ist ein sehr komplexes Gebiet. Aussagekräftige Langzeittests zu genetisch modifizierten Organismen sind nur in sehr beschränktem Maße vorhanden, daher ist schwer zu sagen welche Auswirkungen diese Produkte auf die Konsumenten haben werden - vor allem der langfristige Konsum. Außerdem ist schwer vorherzusehen welche Auswirkungen die Genprodukte auf die Umwelt haben werden und umgekehrt, wie die Natur sich auf die Pflanzen auswirkt. Breitet sich die Pflanze womöglich unkontrolliert aus? Verändert sie den Boden? Oder bietet sie bestimmten Schädlingen neue Nahrung? Erst wenn derartige Fragen geklärt sind, kann von einem “sicheren” GMO die Rede sein.

Frage der Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit
Nun, angesichts der Überproduktion und des täglich anfallenden Lebensmittelmülls, stellt sich die Frage, ob es aus einer gesamt-gesellschaftlichen Sicht notwendig ist, zum Beispiel den möglichen Ertrag einer Pflanze, wie Mais, zu erhöhen. Deshalb ist es meiner Meinung nach weder sinnvoll, noch notwendig hier GMOs anzubauen, solange diese nicht mit Sicherheit als unbedenklich eingestuft werden können.

Das “Abhärten” einer Pflanze gegen Schädlinge erscheint generell als sinnvoll, solange dies nicht auf Kosten anderer wichtiger Kriterien dieser Pflanze geschieht. Immerhin könnte so der Einsatz von Pestiziden reduziert werden. Womit wir auch schon zu einer anderen Methode der Schädlingsbekämpfung durch Gentechnik kommen, wenn auch einer indirekten. Man könnte schließlich auch die Pflanze resistenter gegen Pestizide machen, persönlich finde ich aber eine Reduzierung der verwendeten Pestizide erstrebenswerter.

Eine weitere Möglichkeit der Gentechnik besteht darin, Pflanzen oder Früchte von Schadstoffen oder Allergenen zu befreien. Auch das hört sich auf den ersten Blick vernünftig an, jedoch stellt sich doch die Frage wie weit man gehen sollte. Würde unser Immunsystem womöglich schwächer werden, wenn wir mehr und mehr Lebensmittel konsumieren, die von unserem Organismus möglichst einfach verwertet werden können? Ich kann diese Frage nicht beantworten und bin mir mehr als unsicher wie gut das zum derzeit wissenschaftlich möglich ist. So lässt sich auch in diesem Zusammenhang hinterfragen, wer von so einem Vorgehen schlussendlich profitieren würde und in wessen Interesse es wäre. Sind es bestimmte Industriezweige, beispielsweise die Pharmaindustrie, oder die Gesellschaft an sich? Eine hilfreiche Frage, um auch in diesem Fall einen Eindruck für Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit zu erhalten.

Meiner Meinung nach sollte man Gentechnik also nicht in den Himmel loben aber auch nicht verteufeln. Die Forschung in diesem Bereich birgt mit Sicherheit noch enormes Potenzial, sollte aber vor ihrem Einsatz gründlich geprüft werden. Außerdem ist wie gesagt stets die Notwendigkeit zu hinterfragen, sollte es natürliche Alternativen zu GMOs geben, so bin ich dafür auf diese zurück zu greifen. Nutzhanf könnte beispielsweise unseren Bedarf an einer Vielzahl an Rohstoffen - wie Fasern, Ölen oder Brennstoffen - befriedigen.

Samstag, 8. Oktober 2016

TTIP - Eine Analyse

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TTIP ist nach wie vor ein höchst umstrittenes Thema, während sich in den deutschen und österreichischen Medien, sowie in der Bevölkerung, eine eindeutig negative Haltung gegenüber dem Freihandelsabkommen abzeichnet, wird es von den großen Politikern, wie Merkel, weiter vorangetrieben. Was hat es damit auf sich?, und was spricht eigentlich für das Abkommen, welche großen Vorteile dürften wir uns erwarten?

Berichterstattung
Wenn man die Berichterstattung in den Medien etwas betrachtet, fallen einige Dinge auf. Zum Beispiel, dass sämtliche kritische Artikel zwar mögliche Nachteile aufzeigen, aber keine wirklich schlagkräftigen Argumente liefern. Am bekanntesten sind oberflächliche Argumente rund um die Geheimverhandlungen, Standards und Schiedsgerichte - auf welche wir noch zurückkommen werden. Aber generell lässt sich die ganze Debatte in den Medien, rund um TTIP, im Grunde als ein Überdruckventil für den Unmut der Bevölkerung betrachten. Dieser wird damit der Wind aus den Segeln genommen, es wird der Eindruck erzeugt die Medien stünden auf der Seite des Widerstandes und “kümmern sich schon darum”. Sie sind sozusagen eine Pufferzone zwischen Bevölkerung und Politik. Wie ich zu dieser Ansicht komme? Nun in anbetracht der, vor allem in Deutschland, mehrfach aufgezeigten Verbindungen zwischen Medien und Politik, sowie zu transatlantischen Think-Tanks, würde es mich wundern wenn die Leitmedien sich auf einmal auf die Seite der kritischen Bevölkerungsteile geschlagen hätten.

Ein weiterer, bezüglich der Berichterstattung zu TTIP, interessanter Punkt sind die angesprochenen Geheimverhandlungen. Befürworter des Abkommens weisen immer wieder darauf hin, dass ja die EU-Kommission selbst Papiere zu den Verhandlungen veröffentlicht. Schön und gut, aber hier lässt sich meiner Meinung nach ein Widerspruch feststellen: Wenn die EU schon selbst Informationen veröffentlicht, wieso dürfen dann nicht auch die Abgeordneten der nationalen Parlamente über die Informationen, die sie in den Leseräumen erfahren, diskutieren?, warum dürfen Informationen nur von einer Quelle veröffentlicht werden?

Angebliche Vorteile
Befassen wir uns nun etwas mit den in Aussicht gestellten Vorteilen und Fortschritten des Abkommens. Interessant wäre es einmal, diese von den Politikern, welche das Abkommen befürworten, zu erfahren - und zwar nicht nur durch plumpes einwerfen von Worten wie “Wachstum” oder “Arbeitsplätzen”. Ich habe zu diesem Zweck einige Artikel in Spiegel und FAZ durchsucht, die versprochenen Vorteile sind aber fast alle entweder sehr schwach, nicht spezifisch für TTIP oder es wird nicht erklärt über welche Methoden und Zusammenhänge sie zustande kommen sollen, was meiner Meinung nach sehr wichtig für das Verständnis ist.

Ein häufig erwähnter Punkt ist die Abschaffung von Eigentumsbeschränkungen, was wohl allen voran mehr Privatisierungen ermöglichen soll und Investoren zugute kommt, die sich zu größeren Anteilen beteiligen können. Ob das als Vorteil zu sehen ist, sollte kritisch betrachtet werden. Privatisierungen sind natürlich nicht generell als schlecht oder gut zu betrachten, es kommt auch darauf an was privatisiert wird. Hier eine Möglichkeit, die ich als sinnvolle Lösung, was die Privatisierung von Versorgungsinfrastruktur - Wasserversorgung, Müllabfuhr usw. - betrifft, betrachte. Die Instandhaltung der Infrastruktur erfolgt durch den Staat und bleibt auch in dessen Besitz, er vermietet sie jedoch an private Unternehmen. Damit ist sichergestellt, dass die Qualität und Verfügbarkeit der Dienste gewährleistet ist, während sie gleichzeitig von konkurrierenden, gewinnorientierten Unternehmen verwaltet werden.

Das Wegfallen von Zöllen wird ebenfalls sehr oft als Fortschritt betitelt und soll niedrige Preise für die Konsumenten mit sich bringen. Ob sich ein Wegfall der Zölle (Standardzoll 6%) jedoch tatsächlich in den Preisen für Endverbraucher widerspiegelt ist meiner Meinung nach aber fraglich. Im Falle des Zuckerpreises hat sich gezeigt, dass ein niedrigerer Preis (durch die Zuckermarktreform) von den weiterverarbeitenden Unternehmen zur Erhöhung der Gewinnmarge genutzt wird und nicht an die Konsumenten weitergegeben wird. Ähnlich verhält es sich auch bei einem Fall des Ölpreises, dieser wird erst verzögert durch billigeres Benzin und Diesel an die Kunden weitergegeben. Darüber hinaus wäre der Unterschied, an einem einzelnen Produkt bemessen, wohl auch eher gering. Außerdem sind Zölle ein durchaus wichtiger Steuerungsmechanismus, um zum Beispiel Wettbewerbsvorteile (niedrigere Produktionskosten im Land von dem importiert wird) zu kompensieren. Daher halte ich es nicht für sinnvoll, dies in einem völkerrechtlichen Vertrag festzuhalten.

Kommen wir nun zu den zwei wohl wichtigsten als Gewinn betitelten Folgen von TTIP. Einer soll die Schaffung von Arbeitsplätzen sein: Laut FAZ kann in Deutschland mit einem Zuwachs von rund 110.000 Arbeitsplätzen gerechnet werden, der Zeitraum bis wann diese Zahl realisiert werden soll wird dabei nicht erwähnt (im Spiegel findet sich aber eine ähnliche Zahl, auf 15 Jahre befristet). Bemessen an der derzeitigen Arbeitslosenzahl in Deutschland von etwa 2,7 Mio. (statista.com), sind das mickrige 3,7% aller Arbeitslosen. Außerdem darf nicht vergessen werden, dass aufgrund der, nach TTIP, von außen importierten Produkte natürlich auch Arbeitsplätze gefährdet werden. Ob durch TTIP also tatsächlich ein Nettozuwachs an Arbeitsplätzen zu erreichen wäre ist mehr als unsicher.

Zweiter großer Pluspunkt soll der Anstieg des Wachstums in der EU sein. Auch hier habe ich in der FAZ einige Zahlen gefunden, die ernüchtern. Bis 2027 soll das BIP der EU im besten Fall(!) um 120 Mrd. Euro höher sein als ohne TTIP. Derartige Prognosen sind natürlich immer kritisch zu betrachten und man kann den tatsächlichen Unterschied sowieso nie nachmessen, denn es wird nur einen Fall geben. Gehen wir aber einmal von dieser Zahl aus und betrachten sie in Relation zum derzeitigen BIP der EU, dieses wird 2015 auf 14,7 Bio. Euro bemessen. Die angepeilten 120 Milliarden würden also eine Steigerung von lächerlichen 8 Promille durch TTIP ausmachen, außerdem ist davon auszugehen, dass das BIP der EU bis 2027 noch deutlich steigt.

Aus diesen Gründen ist es wichtig die möglichen Wirtschaftsvorteile von TTIP auch Alternativen gegenüber zu stellen. Ein weiterer Punkt der die obige Kritik an den Medien bestärkt, denn genau das wird von ihnen nicht gemacht, der Widerstand wird verdampft und nicht gebündelt. Welche Alternativen kämen hier in Frage? Einerseits, ganz klar, das Aufheben der ungerechtfertigten Sanktionen gegen Russland, diese haben sowieso mehr Schaden als sonst etwas angerichtet, was schließlich in ihrer Natur liegt. Darüber hinaus sollte auch ein verstärkter Handel mit Ländern wie Russland, immerhin Nachbar der EU, China und anderen in Betracht gezogen werden.

Denn wenn man genau hinschaut ist genau das auch ein Problem von TTIP, es bindet die EU an Amerika, welches ja ganz offensichtlich in einen Wirtschaftskrieg mit Russland und China verwickelt ist. Wenn die USA und Europa ihre Standards angleichen und völkerrechtlich niederschreiben wird dieser Handelsraum für die beiden Ländern aus dem Osten natürlich schwerer zugänglich.

Zusammenhänge und Kritikpunkte
Hier meine Hauptkritikpunkte an dem Freihandelsabkommen, angefangen bei der Diskussion um die Standards. Dazu eingangs zwei Zitate aus dem Spiegel:

“US-Bauern dürfen Pestizide oder Hormone einsetzen, die in der EU verboten sind. Auch sind europäische Umweltauflagen strenger als amerikanische. Was auf US-Seite als Handelshemmnis gesehen wird, betrachten EU-Verhandler als notwendig - auch, weil der Protest von Landwirten und Umweltschützern so laut ist.”


“In Europa gilt das Vorsorgeprinzip. Erst wenn Stoffe nachweislich unschädlich sind, dürfen sie verarbeitet werden. In den USA gilt das Nachsorgeprinzip: Solange es keine wissenschaftlich eindeutig belegten Gefahren gibt, dürfen alle Produkte auf den Markt.”


Es ist also sehr wohl eine Diskrepanz ersichtlich und wenn davon die Rede ist die Standards beider Handelsräume anzugleichen, ist die Frage zu wessen Vor- oder Nachteil dies geschehen wird. Darüber hinaus ist anzumerken, dass diese Standards durch TTIP völkerrechtlich verankert sind und damit nur sehr schwer wieder reformiert werden können.

Ein weiterer wichtiger Zusammenhang bezüglich der Standards darf auch nicht außer acht gelassen werden: Die amerikanischen Unternehmen sind meist größer und finanziell langatmiger, dass hat zur Folge, dass sie eine weit aggressivere Preispolitik anwenden können und europäische Unternehmen unter Umständen kaputt wirtschaften können. Diese werden dann zu Übernahmekandidaten für amerikanische Konzerne und Investoren. Schlussendlich haben diese dann die Möglichkeit nur die minimalen Anforderungen an Standards einzuhalten oder die Preise im Nachhinein wieder stark zu steigern. Das alles kann gefährlich werden, wenn die Mittel zur Regulierung von Produkten aus dem Ausland erst einmal beseitigt sind.

Auch die Schiedsgerichte sind natürlich kritisch zu sehen. Wenn Investoren aufgrund von demokratischen Entscheidungen Gewinne entgehen, ist es gerecht sie in einem angemessenen Ausmaß zu entschädigen. Sprich, die Menge an Kapital, die dem Staat aufgrund der Investition zugute gekommen ist, sollte auch wieder zurückerstattet werden. Aber man sollte nicht den Fokus auf Investorenschutz und die Beseitigung von “Handelshemmnissen” legen, denn wir leben schließlich in einer (Schein)Demokratie und das Recht sollte schließlich vom Volk ausgehen, welches nun mal die Möglichkeit hat Einfluss zu nehmen. Ich finde es nicht angebracht eine Paralleljustiz zu verankern, welche sich demokratischer Kontrolle entzieht.

Vereinbarkeit mit der Demokratie
“Das ist für die deutsche Wirtschaft gut, das ist für die gesamte europäische Wirtschaft gut”, so die deutsche Bundeskanzlerin. Aber hier eine Gegenfrage: Ist es auch für die deutsche und die europäische Bevölkerung gut?, sollten wir tatsächlich politische Entscheidungen an der Wirtschaft bemessen oder doch an der Bevölkerung?

Bei TTIP wurde der Fokus jedenfalls auf die Wirtschaft gerichtet, das zeigt sich an den verschiedenen Kritikpunkten sehr deutlich. Das Abkommen soll Investoren und Großkonzernen höhere Gewinne ermöglichen und Europa an die USA binden, um die chinesische Konkurrenz in Schach zu halten und Russland weiter zu schwächen. Keiner der vermeintlichen großen Vorteile ließe sich nicht auch ohne das Freihandelsabkommen erreichen und darüber hinaus ist es nicht in Europas Interesses sich von Russland und Asien abzuwenden. Meiner Ansicht nach ist es außerdem unglaubwürdig, dass sich TTIP zum Wohle der Bevölkerung auswirkt, schon allein wegen des massiven Lobbying von Seiten der Konzerne.

Fazit
Man kann dem Vorhaben eines Freihandelsabkommen nicht alles absprechen. Zum Beispiel die Tatsache, dass aufgrund der verschiedenen Standards in beiden Handeslräumen Zulassungsverfahren notwendig sind, bietet durchaus Spielraum zur Verbesserung, wie auch von TTIP beabsichtigt. Jedoch, wenn keine separaten Zulassungsverfahren notwendig sind, wer führt dann die Tests durch? Überhaupt, ein Zitat aus der FAZ stimmt mich fraglich ob zu diesem Zweck ein Freihandelsabkommen notwendig ist: “Der Antihistaminhersteller Absam aus Österreich exportiert in 60 Länder, nicht aber in die Vereinigten Staaten, da er dazu neben den heimischen Inspekteuren auch noch amerikanische bezahlen müsste – obwohl beide auf Basis derselben internationalen Regeln arbeiten” Wie gelingt dann der Export in diese 60 Länder, ich kann mir schwer vorstellen, dass mit all diesen ein Freihandelsabkommen abgeschlossen wurde.

Die EU sollte außerdem nicht den Handel mit Russland und China vernachlässigen, wir wären in der Lage mit allen Partnern vernünftig zu handeln, ohne uns auf eine Seite zu schlagen. Die Sanktionen gegen Russland könnten im groben auch als Gegenteil von Freihandel bezeichnet werden. Auf der einen Seite wird etwas befürwortet, während man auf der anderen das Gegenteil macht. Eine bekannte Doppelmoral der transatlantischen Politik. Und wenn jetzt jemand sagt, die Sanktionen gegen Russland sind gerechtfertigt, so hätte die EU die USA in der Vergangenheit schon mehrmals sanktionieren müssen.

Auch ist Freihandel an sich selbstverständlich nicht generell abzulehnen, jedoch kann er nicht einfach mit dem Argument des Fortschritts durchgesetzt werden. Es ist abzuwägen wie notwendig einzelne Aspekte aus demokratischer Sicht sind, nicht vorrangig aus wirtschaftlicher. Denn in Aussicht gestellter Fortschritt sollte immer mit den Fragen: “Zu welchem Preis?” und “Profitiert jemand unverhältnismäßig mehr als die anderen?” verbunden werden.

Montag, 3. Oktober 2016

Antiamerikanismus

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Ein Wort erfreut sich immer häufigeren Gebrauchs: Antiamerikanismus taucht stets dort auf, wo ein Wort gesucht wird um jene zu verunglimpfen, die Kritik an der amerikanischen Weltanschauung äußern. Sprich Leute, die der amerikanischen Politik nicht zustimmen. Der Begriff erfüllt dabei einen bestimmten Zweck, er soll diffamieren, bezeichnet etwas “böses”. Definiert wird seine Bedeutung jedoch nicht und das sollte kritisch gesehen werden.

Denn was soll jemandem mit dem Wort mitgeteilt werden, ist er gegen das amerikanische Volk, die amerikanische Elite oder aber Amerikas Wirtschaft? Anstatt eine dieser Fragen zu beantworten und eine Tatsache festzustellen, wird ein Sachverhalt geschaffen: Der der Diffamierung. Die antiamerikanische Person sei gegen den technologischen und wirtschaftlichen Fortschritt, sowie gegen die Freiheit. Das lässt sich zum Beispiel daran erkennen wenn TTIP-Kritiker als antiamerikanisch bezeichnet werden, denn TTIP würde uns angeblich wirtschaftlichen Fortschritt, Wohlstand und auch Freiheit bescheren.

Man versucht mit einem solchen Begriff sich gegen Kritik abzusichern und Argumenten aus dem Weg zu gehen. Dieser Trick ist altbekannt und beliebig auf die eigenen Ansichten anwendbar. Streng Gläubige können beispielsweise behaupten jeder der Gott widerspricht, sei ein Werkzeug des Teufels. Damit ist man gegen jede Kritik abgesichert, da jeder Kritiker automatisch zum Werkzeug des Teufels wird. Das erspart es einem den eigenen Standpunkt mit Argumenten zu verteidigen, da der Gegner sowieso nicht ernst genommen werden muss.

Aber zurück zu den obigen Fragen, würde mit der Bezeichnung “antiamerikanisch” nur eine Tatsache festgestellt, zum Beispiel dass jemand gegen die amerikanische Wirtschaftspolitik sei, was wäre das verwerfliche daran? Amerikanische Politiker oder Journalisten, die Kritik an der europäischen Politik äußern werden meines Wissens nach nicht als “antieuropäisch” bezeichnet, es wäre auch schwachsinnig. Warum sollte die amerikanische Weltanschauung nicht kritisiert werden dürfen, wenn legitime Argumente vorgebracht werden. Wäre sie womöglich nicht zu rechtfertigen und man geht deswegen einer Argumentation aus dem Weg?