Freitag, 23. Dezember 2016

Verbote – eine politische Lösung oder Problemverstärker?

Verbote sind in unserer Gesellschaft alltäglich und werden von der Politik oft als Lösung letzter Instanz verwendet. Aber nicht immer werden mit Verboten die gewünschten Effekte erzielt und der Zustand verschlechtert sich womöglich sogar. Vereinzelte Beispiele zeigen, dass eine Aufhebung der Verbote sogar eine Verbesserung der Umstände mit sich bringen kann. In diesem Text möchte ich deshalb Bereiche in der Gesellschaft betrachten, die mit Verboten versehen sind oder für die welche gefordert werden.

Vorab aber ein wenig Grundsätzliches zur Natur und Psychologie von Verboten. Diese stellen allgemein eine Einschränkung der Entscheidungsmöglichkeiten des Einzelnen dar, egal ob ihnen eine gute Intention zugrunde liegt, wobei "gut" an sich schon vom Betrachter abhängt und damit subjektiv ist. Die von den Betroffenen empfundene Einschränkung durch das Verbot, kann dann zu einer Abwehrreaktion, der Reaktanz, führen - solange die Möglichkeit besteht das Verbot zu umgehen oder los zu werden. Reaktanz ist ein Ausdruck des Dranges nach Freiheit, welcher uns angeboren ist. Es ist zum Beispiel nicht möglich Menschen dahingehend zu konditionieren auf ihre Freiheit zu verzichten, weshalb eine Gefängnisstrafe von gesunden Menschen immer abgestoßen werden wird.

Verbote haben also eine tendenziell destruktive Natur, da sie abstoßende Reaktionen hervorrufen, sofern sie nicht für jedermann einleuchtend begründet und nachvollziehbar sind (wie z.B. Geschwindigkeitsbeschränkungen). Reaktionen auf Verbote können sich außerdem in physischen Taten und Gewalt äußern. Eine Gesellschaft, die ohne Verbote auskommt, wäre daher erstrebenswert. Der Hauptgrund der so einen Zustand verhindert und Bedarf an Restriktionen schafft, ist ein Mangel an Bildung und Verantwortung in der Gesellschaft. Am einfachsten ist das am Beispiel Drogen gezeigt: Eine aufgeklärte Gesellschaft würde auch verantwortungsvoll mit Drogen umgehen, es mag zwar noch immer zu vereinzelten Unfällen in Verbindung mit Drogenkonsum kommen, aber das verhindert auch kein Verbot, wie uns die Realität zeigt.

Kurz noch zur Entstehung oder besser gesagt Forderung nach Verboten, diese ist vermutlich mit einem gewissen persönlichen Rachegedanken verbunden. Denn es sollte wohl jedem bewusst sein, dass ein Verbot schlussendlich nur eine psychologische Blockade darstellt und daher das Verbotene nie vollständig verhindern kann, wodurch die absolute Verhinderung einer Tätigkeit als Begründung für ein Verbot ausgeschlossen werden kann. Die Tatsache, dass jene die gegen es verstoßen aber bestraft werden können, stellt sicher eine gewisses Gefühl der Genugtuung und vor allem der Sicherheit dar.

Nachdem das gesagt ist, nun zu einigen Beispielen, anhand denen demonstriert werden kann, dass Verbote nicht immer notwendig oder sinnvoll sind. In der deutschen Ortschaft Bohmte wird seit Mai 2008 auf sämtliche Verkehrsschilder, Ampel und sonstige Regelungen verzichtet und zwar im Rahmen eines "Shared Space" Projekts. Das Projekt hat nicht zu einem Anstieg der Unfälle geführt und wurde allgemein positiv beurteilt. Es ist auch unschwer nachzuvollziehen warum es nicht zu einer Verschlechterung des Zustands gekommen ist: Ohne die Verkehrsregeln und die damit einhergehenden Gebote und Verbote, kann sich auch niemand darauf berufen im Recht zu sein, wenn es zu einem Unfall kommt. Das führt dazu, dass Autofahrer allgemein vernünftiger fahren – selbstverständlich unter der Voraussetzung, dass sie sich weiterhin an grundlegende Regeln halten, auch wenn diese nicht mehr gegeben sind. Das Verkehrsbeispiel soll an dieser Stelle aber nur die Psychologie veranschaulichen und nicht als Argument gegen die Straßenverkehrsordnung verstanden werden.

In Österreich kann das Verbotsgesetz meiner Meinung nach hinterfragt werden, denn man kann davon ausgehen, dass neonazistisches Gedankengut in unserer Gesellschaft nicht mehrheitstauglich ist und daher auch nicht von einer Partei genutzt werden kann, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu betreiben. Darüber hinaus wird durch das Gesetz nicht verhindert, dass einige Ausnahmefälle sich dennoch des Nationalsozialismus bedienen. Das liegt unter anderem daran, dass das Verbot selbst, von diesen Personen, als Bestätigung ihrer Theorien gesehen wird. Das ist ein typisch fanatisches Vorgehen, mit dem so etwas gesagt wird wie: „Unsere Ideologie ist verboten, da man dem Volk schaden will“. Das Verbot wird also Teil der Begründung.

Die wahrscheinlich besten Beispiele für Verbote, die eine der erwarteten Wirkung entgegengesetze hervorrufen, sind die Alkohol- und die Cannabis-Prohibition. Während der Alkoholprohibition in Amerika ist der Konsum zwar gesunken (schlussendlich auf 50-70% des Niveaus vor der Prohibition), aber die Zahl der Verbrechen in Verbindung mit Alkohol ist stark gestiegen, vor allem Trunkenheit am Steuer. Der Konsum von Cannabis ist hingegen über den langen Zeitrum generell angetiegen. Einzig in Holland, wo er toleriert wird, konnte ein Zurückgehen des Konsums beobachtet werden. Die beiden Verbote haben neben diesen Entwicklungen außerdem dazu geführt, dass die entsprechenden Schwarzmärkte stärker denn je gewachsen sind oder überhaupt erst entstanden sind. Die illegale Herstellung erhöht darüber hinaus das Risiko gefährliche Substanzen in den Drogen zu finden oder das diese generell von minderwärtiger Qualität sind. Eine Aufhebung des Cannabis-Verbots würde also den Schwarmärkten ihre Existenzgrundlage nehmen und gleichzeitig die zum Scheitern verurteilte Drogenbekämpfung durch den Staat überflüssig machen. Eine Legalisierung sollte jedoch mit ausreichend Aufklärung einhergehen, welche leicht mit den erzielbaren Streueinnahmen finanziert werden könnte.

Abschließend noch ein Gedankenexperiment: Man stelle sich vor die US-Regierung hätte die Absicht eine radikale Änderung des Waffenrechts durchzuführen – wobei das wohl nur eine Regulierung sein kann. Abgesehen davon, dass dieses Vorhaben nicht durchsetzbar wäre, würde es ein riesiges Problem verursachen. Denn sämtliche Waffen die im Umlauf sind, sind es weiterhin und sie aus dem Verkehr zu ziehen wäre nahezu unmöglich. Folgende Entwicklungen wären bei einer starken Regulierung oder gar einem Verkaufsverbot also absehbar: Illegaler Waffenhandel wird ein größeres Problem denn je, da er aufgrund des fehlenden Angebots sehr profitabel ist. Des weiteren wird eine illegale Branche der Waffenherstellung entstehen. Personen greifen womöglich auf 3D-Drucker zurück um die Plastikteile für Waffen zu produzieren und Waffen der Marke Eigenbau würden generell ein erhöhtes Sicherheitsrisiko darstellen. Die Polizei hätte außerdem bei der Bekämpfung des Waffenhandels das Problem, dass sie mit absoluter Sicherheit mit sehr gefährlichen Situationen rechnen muss.

Deshalb kann auch hier wieder gesagt werden, dass ein Verbot der falsche Weg ist und stattdessen wieder Bildung und Aufklärung notwendig sind. Es muss sicher gestellt sein, dass Waffen nicht an Menschen mit Vorstrafen verkauft werden und auch psychologische Untersuchungen könnten angewendet werden. Um ein Auto in der Öffentlichkeit zu fahren ist ein Führerschein notwendig, was die meisten wohl für selbstverständlich halten, gleichfalls sollten Waffen nur mit ausreichendem Training in der Öffentlichkeit getragen werden dürfen. Eine Waffe in der Hand eines gut geschulten und informierten Waffenbesitzers kann durchaus zur öffentlichen Sicherheit beitragen, keinesfalls aber in den Händen von jemandem der nicht damit umgehen kann.

Unserer Gesellschaft ist eine wichtige Tatsache weitestgehend unbekannt – die Psychologie des Tötens. Noch im Zweiten Weltkrieg hat die große Mehrheit der Soldaten entweder gar nicht geschossen oder beim Schießen bewusst am Gegner vorbei geschossen. Dave Grossman führt diese Beobachtungen, in seinem sehr informativen Buch „On Killing“, auf den menschlichen Widerstand gegen das Töten zurück. Das in unserer Gesellschaft ein derart falsches Bild des Tötens besteht, liegt auch daran, dass Krieg in Medien und Filmen verzerrt dargestellt wird. Soldaten werden zu Helden welche ohne Hemmungen auf ihre Gegner schießen, die psychologischen Folgen dessen finden wenig Beachtung. Auch reale Kampfszenen vermitteln nicht die Emotionen welche mit dem Kampf verbunden sind und welche beim Töten auf die Soldaten wirken. Diese Aufklärung wäre für potentielle Waffenbesitzer, welche eine Waffe für ihre Selbstverteidigung kaufen möchten, absolut notwendig. Viele würden auf einen Kauf dann womöglich verzichten oder wüssten zumindest, was sie zu erwarten haben, wenn sie eines Tages Gebrauch von ihrer Waffe machen müssen.

Der einzelne kann für sich selbst entscheiden ob er sich an ein Verbot halten möchte oder ob er gewillt ist die Verantwortung zu übernehmen (und das Gesetz zu brechen), welche ihm durch die Nichteinhaltung zukommt. Zu diesem Zweck hilf zum Beispiel Immanuel Kant mit dem kategorischen Imperativ, welcher im Grunde sagt: Eine Handlung ist moralisch wenn man sich das ihr zugrunde liegende Prinzip verallgemeinert und als Gesetz niedergeschrieben vorstellen kann, ohne auf einen Widerspruch zu stoßen. Sprich, wenn jeder so wie man selbst handeln könnte, ohne dass jemandem geschadet wird. Noch einfacher macht es die Feststellung, wenn durch die Nichteinhaltung eines Gesetzes (Verbots) niemand Schaden nimmt, denn wie sinnvoll ist dieses Gesetz dann? Gerade beim Thema Drogen wird das tragend, denn da der Kauf und Konsum ohnehin nicht verhindert werden kann, wäre es an der Zeit den Menschen selbst die Verantwortung über diese Tätigkeiten zu überlassen. Anders ist es beispielsweise wieder bei der Fahrgeschwindigkeit im Straßenverkehr: Man kann sich schwer vorstellen, dass etwa bei einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 70km/h im Ortsgebiet, nicht mehr Personen Schaden nehmen würden.

Samstag, 17. Dezember 2016

Fortsetzung: Treibstoffe aus Biomasse

Im letzten Artikel habe ich grob dargestellt, um welche Größenordnungen es sich beim Bedarf an Treibstoffen aus Biomasse handelt, wenn man diese dazu nutzen möchte, einen Teil der fossilen Treibstoffe zu ersetzen. Die Herstellung großer Mengen pflanzlichen Treibstoffs ist möglich und auch notwendig, wenn wir einerseits auf fossile Brennstoffe verzichten möchten und andererseits nicht auf das teurer werdende Öl, welches sein Fördermaximum bereits erreicht hat, angewiesen sein wollen. Die Produktion der Biomasse muss jedoch möglichst effizient und wirtschaftlich erfolgen, um eine tatsächliche Alternative darzustellen. Wie das erreichbar ist, werde ich in diesem Text etwas ausführen.

Vorab, ideal wäre generell wenn wir in Zukunft auf den Verbrennungsmotor und seine Abgase verzichten könnten und stattdessen Elektromotoren in Verbindung mit Batterien oder Brennstoffzellen verwenden würden. Werden einmal Wege zur wirtschaftlichen und energieeffizienten Herstellung von Wasserstoff in großen Mengen gefunden, so würden Autos mit Brennstoffzellen nur noch Wasserdampf ausstoßen. Aber bevor sämtliche Autos ersetzt sind, wäre es am sinnvollsten den Bedarf an fossilen Treibstoffen für den Verkehr Schritt für Schritt zu reduzieren. Darüber hinaus wird der Bedarf an Dieselöl und Kerosin für den Transport über Land-, Wasser- und Luftwege weiter bestehen. Zwar könnten aus Kohle, durch Verflüssigung, große Mengen Treibstoff hergestellt werden jedoch ist die Substitution eines fossilen Brennstoffs mit einem anderen meiner Meinung nach nicht die Lösung die wir forcieren sollten.

Treibstoffe aus Biomasse bieten sich deshalb als Alternative an. Im letzten Artikel bin ich auf zwei Pflanzen besonders eingegangen - Hanf und Algen – hier sei deren mögliche Anwendung näher ausgeführt. Der Hanf stellt aufgrund seiner vorteilhaften Eigenschaften und vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten eine ideale Pflanze für die Landwirtschaft dar. Er hat relativ niedrige Ansprüche an den Boden, benötigt kaum Pestizide oder Herbizide im Anbau und verbessert die Bodenqualität, weshalb er zum bepflanzen von brach liegenden Äckern verwendet werden kann. Seine Fasern können nicht nur für die Produktion von Seilen, Schnüren oder Dichtungsmaterial verwendet werden, sondern finden ebenfalls Anwendung in der Papierindustrie oder der Herstellung von technischen Filtern (wo sie dank ihrer Reißfestigkeit einen großen Vorteil haben). Für die Papierindustrie hätte Hanf gar den Vorteil, dass sich mit ihm der zwei- bis vierfache Ertrag eines Waldes erzielen lässt, da er eine einjährige Pflanze ist, die sehr schnell und dicht wachsen kann. Die Hanfsamen können zur Herstellung von Speiseöl verwendet werden und die eiweißreichen Blüten als Tierfutter oder Lebensmittel.

Jedoch ist Biomasse für die Treibstoffgewinnung im Anbau mit hohen Kosten belastet (z.B. Kosten für Dünger, Treibstoff und Transport), das ist auch bei Hanf nicht anders, weshalb ein möglichst effizienter Produktionszyklus gefunden werden muss. Hanf nur zur Gewinnung von Biomasse anzubauen ist also die falsche Herangehensweise, er sollte ebenfalls verwendet werden, um die vorher genannten Produkte zu erzeugen. Denn wenn mit Hanf eine möglichst breite Produktpalette bedient wird, sinken natürlich auch die Kosten für Biomasse aus Hanf, welche dann auch als Abfall anfällt. Das Hanföl könnte zu einem Teil außerdem in Treibstoff umgewandelt werden und der Landwirtschaft selbst wieder zugeführt werden, um den Anbau im Optimalfall noch effizienter zu machen. Darüber hinaus können der Hanf-Biomasse noch Abfälle, beispielsweise aus der Forstwirtschaft oder der Getreideernte, beigemengt werden, sowie weitere Biomasse-Pflanzen, wie das Riesenchinaschilf. Mit Riesenchinaschilf kann in etwa der doppelte Ertrag an Trockenmasse (15-25 T/ha) wie mit Hanf (10-12 T/ha) erzielt werden. Es ist jedoch bei weitem nicht so vielseitig einsetzbar wie der Hanf, ist schwieriger im Anbau, hat einen höheren Bedarf an Pestiziden und Herbiziden und lässt sich nicht in den Fruchtwechsel fügen. Eine sinnvolle Mischung aus Abfällen und, nicht mit der Lebensmittelindustrie konkurrierenden, Biomasse-Pflanzen, stellt meiner Meinung nach also eine zukunftsreiche Lösung dar.

Die Biomasse kann dann im Pyrolyse-Verfahren zum Beispiel zu Methanol umgewandelt werden, wobei das bei einem Rohstoffverbrauch-zu-Ertrag Verhältnis von über 90% möglich ist. Die Umwandlung zu Treibstoff ist mit dem Anbau vergleichsweise billig. Das Methanol kann dann dem normalen Benzin beigemischt werden, wobei 15% Methanol im Benzin als ideale Menge identifiziert worden sind. Mit diesem Mischungsverhältnis treten auch in älteren Autos (vor 1990) keine Probleme auf und jene Autos die nach 1990 produziert wurden, sind bereits auf den Gebrauch von M15 angepasst. Obwohl Methanol nur in etwa den halben Energiegehalt von Benzin aufweist, konnte beim M15-Mischungsverhältnis eine leichte Effizienzsteigerung, sowie eine Reduzierung der Emissionsgase und der Feinstaubpartikel im Abgas, beobachtet werden.

Im letzten Artikel bin ich auch kurz auf Algen als mögliche Treibstoffquelle eingegangen, das sei auch hier wieder getan. Die Forschung rund um Algen als Treibstoff steht noch am Anfang – es gibt tausende verschiedener Algenarten – und die Technologie ist noch bei weitem nicht konkurrenzfähig mit Erdöl (weder preislich noch mengenmäßig). Das Potenzial der Algen spricht aber eindeutig für sie, denn es können tatsächlich 100% der Biomasse geerntet werden und, wenn die Technologie einmal ausgereift ist, ein Ertrag an Öl (45.000 - 135.000L/ha) erzielt werden, der jenen der Ölpalme noch bei weitem übersteigt. Einige Probleme im Anbau von Algen sind aber noch ungelöst, wie zum Beispiel der hohe Bedarf an Phosphor-Dünger, welcher schon in der Landwirtschaft benötigt wird. Auch bei den Algen ist demnach wieder eine möglichst vielseitige Verwendung der Pflanze notwendig um wirtschaftlich Öl produzieren zu können.

Die Algen enthalten zum Beispiel – wie auch der Hanf- hohe Eiweißmengen und können daher nach der Ölgewinnung noch als Futtermittel verwendet werden. Außerdem sind Algen bereits jetzt für die Aufnahme von 40% des Kohlendioxids verantwortlich und könnten zukünftig zur Reinigung von Industrieabgasen verwendet werden, wobei sie gleichzeitig Öl und Futter produzieren. In einem derartigen Produktionszyklus stünden die Chancen gut, wirtschaftlich Algenöl herstellen zu können. Darüber hinaus ist Algenöl leichtem Rohöl sehr ähnlich, was das Raffinieren erleichtern sollte. Wenn Algen in offenen Teichen angepflanzt werden, benötigen sie erstaunlicher Weise in etwa die selbe Menge Wasser wie sie für den Baumwollanbau notwendig ist. Es ist also nur eine Frage der Forschung und Entwicklung, sowie des Willens Lösungen für die Problem zu finden, bis eine wirtschaftliche Algenkultivierung im großen Stil möglich sein wird. Da davon ausgegangen werden kann, dass die Ölpreise, aufgrund der zurückgehenden konventionellen Förderung und der teuren unkonventionellen Förderung steigen oder mindestens höchst volatil bleiben werden, sollte dieses Ziel noch im nächsten Jahrzehnt erreichbar sein.

Quellen:
Biofuels from algae: challenges and potential
M15 Methanol Gasoline Blends
Jack Herer, Mathias Bröckers – Hanf
Daniele Ganser - Erdöl

Samstag, 10. Dezember 2016

Energieversorgung: Wie lässt sich die Erdölabhängigkeit reduzieren

Weitere Artikel sind auf der neuen Seite www.schriftensammlung.com verfügbar.

Strom, Wärme und Mobilität, niemals zuvor waren wir so sehr auf diese Energiefaktoren angewiesen wie in diesem Jahrtausend. Ein Ende des global steigenden Energiekonsums zeichnet sich nicht ab. 80% der globalen Energieversorgung werden durch die fossilen Brennstoffe Kohle, Erdöl, Erdgas und Uran gedeckt und der Bedarf an ihnen steigt weiter. Kohle, Uran und Erdgas sind noch in riesigen Mengen vorhanden und werden in den nächsten Jahrzehnten nicht verknappen, aber die Erdölfördermenge stagniert global, denn das Fördermaximum des Erdöls wurde 2006 erreicht. Am meisten auf das Erdöl angewiesen ist unser Mobilitätsbereich, aufgrund der starken Abhängigkeit von Erdölimporten und der Notwendigkeit des Öls für das Funktionieren unserer Wirtschaft, ist es daher unumgänglich nach Alternativen zu suchen, die das Erdöl als Treibstoff in großen Mengen ersetzen können.

Probleme des Erdöls
Bevor ich eine der vielversprechendsten Alternativen zum Erdöl erläutere, sei hier auf die Probleme, die mit dem Erdöl verbunden sind, eingegangen. Das Erdöl war und ist die treibende Kraft hinter dem außergewöhnlichen Wachstum, vor allem des letzten Jahrhunderts, es ist Rohstoff für eine Vielzahl an Produkten (Brennstoffe, Treibstoffe, sämtliche Kunststoffe oder -fasern etc.) und liefert die notwendige Energie, die es ermöglicht, dass Landwirtschaft und Industrie ihre Produktionsmengen steigern können. Es hat uns darüber hinaus einen unvorstellbaren Komfort geliefert, die Mehrheit besitzt heute ein oder gar mehrere Autos, denen in Österreich über 2.000 Tankstellen zur Verfügung stehen. Aber all das Wachstum und der Komfort haben auch einen Preis, den Preis der Abhängigkeit: Amerika, Europa und China, die drei größten Erdölkonsumenten, sind auch alle Nettoimporteure von Erdöl, das kann so lange gut gehen, so lange das Erdöl in ausreichenden Mengen vorhanden ist, sodass es niemand dem anderen „Weg nehmen“ muss.

Diese Zeit ist aber im Begriff zu Ende zu gehen, denn das konventionelle Erdöl hat sein Fördermaximum (peakoil) 2006 erreicht, überhaupt sind Kriege um das Öl eine historische Tatsache, der Nahe Osten weiß das nur allzu gut. Dazu etwas an Hintergrundwissen: Der Geologe Marion King Hubbert hat aufgezeigt, dass die Fördermenge eines Ölfeldes, eines Landes und der ganzen Welt immer einer Glockenkurve ähnelt. Sprich, auf eine Steigerung der Erdölförderung folgt ein Höhepunkt (peak) und schließlich eine Abklingphase. Nicht das vollkommene Ende der Erdölförderung ist das ausschlaggebende Datum, sondern das Erreichen dieses Höhepunkts, denn sobald dieser bei der globalen Ölförderung erreicht wird, beginnt das Erdöl zu verknappen und die Preise werden stark volatil. Dieser Höhepunkt wurde, wie bereits erwähnt, beim konventionellen Erdöl schon erreicht, nun gibt es aber auch noch das unkonventionelle Erdöl - zu dem Tiefseeöl, Polaröl, Teersand, Schweröl oder Tight Oil zählen – welches sein Fördermaximum noch nicht erreicht hat.

Das Problem dieser unkonventionellen Erdölvorkommen ist jedoch deren Förderung, diese ist um vieles teurer und ineffizienter als beim konventionellen Erdöl, welches nach dem Anbohren der Ölfelder, von selbst aus den Rohren strömt. Konventionelles Erdöl kann mit einem sehr guten Verhältnis von Energieaufwand zu Energieertrag von 1:100 gefördert werden, das heißt, dass ein Fass Erdöl erforderlich ist um 100 Fass Erdöl zu gewinnen. Bei den unkonventionellen Erdölvorkommen, verschlechtert sich dieses Verhältnis in der Förderung stark, der Ölschiefer-Abbau weist das schlechteste Verhältnis auf, 1:5 oder gar nur noch 1:2. Darüber hinaus ist der Preis dieser Fördermethoden hoch: Der Abbau von Ölsand lohnt sich erst bei Ölpreisen von über 70 Dollar pro Fass und auch die Kosten für Fracking belaufen sich auf rund 40 Dollar pro Fass Öl. Außerdem werden die unkonventionellen Vorkommen unseren globalen Bedarf an Erdöl ebenfalls nicht langfristig sichern können, sondern nur ein zweites Fördermaximum auf der Zeitachse markieren - die mit der Gewinnung dieser Vorkommen einhergehenden Umweltprobleme sind hier noch gar nicht erwähnt.

Es steht also fest, wir müssen in den kommenden Jahrzehnten unseren Bedarf an dem fossilen Brennstoff Schritt für Schritt reduzieren und mit anderen Energieträgern decken. Das ist zur Notwendigkeit geworden, aber warum uns in der Wirtschaftsform, die für das Hervorbringen von Alternativen bekannt ist, nicht schon seit längerer Zeit Alternativen zum Treibstoff Erdöl zur Verfügung stehen, sollte dabei nicht übersehen werden. Wie alle Unternehmen, machen auch die Erdölunternehmen mehr Gewinn, wenn sie mehrere ihrer Produkte verkaufen oder der Preis pro Einheit steigt, es liegt also in ihrer Natur, dass sie möglichst viel Öl verkaufen möchten, was jedoch mit den Gedanken der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes schwer vereinbar ist. Das diese Konzerne auch zu den politisch und medial einflussreichsten gehören, lässt sich schon an ihren Gewinnen in zweistelliger Milliardenhöhe ablesen, denn die Verbindung von Kapital und Politik hat schon Edward Bernays 1928 angemerkt: „Wirtschaftliche Macht hat die Tendenz, politische Macht nach sich zu ziehen.“ Wir müssen also in einer Demokratie als Bevölkerung aktiv Alternativen einfordern, damit diese auch mehr Bedeutung gewinnen und von der Politik eine angemessene Priorität zugestanden bekommen.

Wie kann das Erdöl ersetzt werden?
Während Elektroautos wohl die beste Lösung für unsere persönliche Motilität darstellen - vor allem in Verbindung mit Brennstoffzellen, denn dann könnte auf Batterien verzichtet werden - sollte dennoch auch eine Übergangslösung, welche die Erdöltreibstoffe an sich ersetzen kann, entwickelt werden. Als solche Lösung bekannt ist vor allem der Biotreibstoff Ethanol aus Zuckerrohr oder Mais, doch für diese Agrarprodukte werden große Ackerflächen benötigt und der Ertrag der Ernte steht der Lebensmittelindustrie nicht mehr zur Verfügung. Vielversprechender ist daher eine der ältesten, wenn nicht die älteste Nutzpflanze der Welt: Der Hanf. Hanf vereint eine Vielzahl vorteilhafter Eigenschaften. Das grüne Gewächs kommt weitestgehend ohne dem Einsatz von Pestiziden aus, da es Unkraut erstickt, beim Dünger kann auch gespart werden und es lockert den Boden dank seiner tiefen Wurzeln (bis zu 2 Meter tief) auf und reichert die oberen Schichten so wieder mit Nährstoffen an. Darüber hinaus wächst Hanf fast überall auf der Welt, abgesehen von Wüste, Tropen und Polargebieten. Das wichtigste an der Pflanze ist aber, dass sie Europa dabei helfen könnte, von Erdölimporten aus Krisengebieten unabhängiger zu werden, denn sie liefert hervorragende natürliche Fasern, Biomasse und Öl.

Aber, fast nirgends wird Hanf angebaut, wieso ist der Nutzhanf also von unseren Feldern und aus unserem Produktionszyklen verschwunden? Einerseits haben Anfang des 20. Jahrhunderts billige Faserimporte von Jute und Sisal aus den Kolonien Europas und die billigere Verarbeitung von Baumwolle, dank Baumwollmaschine, den Hanf nicht mehr konkurrenzfähig gemacht. Andererseits war der Hanf bei den Großunternehmern des frühen 20. Jahrhunderts (z.B. DuPont) nicht beliebt und so haben sich diese beispielsweise in Amerika dafür eingesetzt, dass der Marihuana Tax Act in Kraft tritt, welcher derart hohe Steuern auf den Rohstoff erlässt, dass er nicht wirtschaftlich verwendet werden kann. Das Gesetzt wurde begleiteten von massiver Propaganda und Desinformation in den Medien, welche den Hanf einzig als gefährliche Droge, auf dem Niveau von Heroin, darstellten und seine vorteilhaften Eigenschaften völlig ignorierten. Was aber hat den Hanf unter den Chemie- und Erdölunternehmen unbeliebt gemacht: Gründe dafür sind unter anderem, dass sich seine Fasergewinnung nicht patentieren lässt und auch sein Anbau kaum monopolisiert werden kann, im Unterschied zur Erdölförderung, die sich in den Händen einiger weniger Firmen befindet, welche über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen und diesen Rohstoff verteilen. Es widerstrebt also den Interessen der großen Chemieunternehmen und auch denen der Pharmaunternehmen, wenn Hanf als Faser, Medizin oder Treibstoff verwendet wird.

Abgesehen davon, dass er, aufgrund seines 70-prozentigen Zelluloseanteils im Stängel, ideal für die Papierindustrie wäre, lässt sich aus Hanf-Biomasse Methanol herstellen – für die Ethanolproduktion ist er aufgrund seines niedrigen Zuckergehalts dagegen nicht geeignet. Methanol kann aber wie auch Ethanol dem Benzin beigemischt werden, wodurch der Bedarf an Erdöl für den Verkehr reduziert werden könnte. Dank der bereits erwähnten Vorteile von Hanf, wäre dieser besonders gut zum Bepflanzen von Brachland geeignet, er würde den Boden aufwerten und gleichzeitig Rohstoff liefern, eine Win-Win-Situation. In warmen Regionen kann übrigens sogar zwei Mal jährlich Hanf geerntet werden, da er so schnell wächst (die Vegetationszeit von Hanf beträgt lediglich 100 Tage). Eine Statistik, noch aus Zeiten der EG, gibt für den europäischen Raum 30 Mio. Hektar Brachland an, wobei aus einem Hektar Hanf bis zu 9.500 Liter Methanol gewonnen werden können. Auf einem fünftel der Fläche (6 Mio. Hektar) ließen sich somit zumindest 156 Mio. Liter Methanol pro Tag erzeugen, wobei das fast einem Drittel des europäischen Benzinverbrauchs (483,6 Mio. L/Tag) entspricht (vom Methanol wird aber mehr benötigt, um die selbe Energie zu erzielen). Zu berücksichtigen bleibt jedoch das Methanol in normalen Motoren kein Ersatz für Benzin ist, jedoch mit diesem gemischt werden kann - 15% Methanolanteil ist eine optimale Mischung. In Brasilien ist deshalb die Flex Fuel-Technologie weit verbreitet, welche es Autobesitzern ermöglicht problemlos mit Benzin, Ethanol oder Methanol zu fahren. Ein großer Vorteil des Anbaus von Hanf wäre hier außerdem, dass dadurch auf Mais für die Treibstoffherstellung verzichtet werden könnte.

Aus den Hanfsamen kann Öl gewonnen werden, je nach Hanfsorte bis zu 890L pro Hektar und Jahr, wobei mit Raps rund die doppelte Menge erzielt werden kann. Trotzdem würde das wiederum auf 6 Mio. Hektar Anbaufläche einem Ertrag von 14,6 Mio. Litern Öl pro Tag entsprechen. Die Ölproduktion für Bio-Diesel lässt sich wahrscheinlich aber mit einer gänzlich anderen Pflanze am besten lösen, nämlich mit Algen. Diese liefern, abhängig von der verwendeten Art, über 60% Öl in ihrer Trockenmasse. Die Schätzungen des erzielbaren Ertrags von Öl aus Algen reichen von 45.000 bis 135.000 Litern pro Hektar und Jahr. Auf einer Fläche von beispielsweise 1 Mio. Hektar sollten damit also mindestens 123 Mio. Liter Öl am Tag produziert werden können. Das Algenöl steht mit Forschung und Entwicklung jedoch noch am Anfang, es gibt zwar bereits Anlagen, die es produzieren, aber die Kosten sind je nach verwendetem Verfahren sehr unterschiedlich und teilweise hoch. Ein Nachteil der Produktion von Algenöl ist, dass diese vom Klima und der Jahreszeit abhängig ist, der hohe erwartbare Ertrag sollte jedoch Anlass für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Verfahren auf wirtschaftlicher und politischer Ebene sein.

Als Fazit kann eines gesagt werden: Die globale Erdölförderung wird, dank der unkonventionellen Fördermethoden, konstant gehalten oder gar gesteigert werden können, ehe sie aber endgültig beginnt einzubrechen. In Anbetracht des Steigenden Bedarfs an Erdöl, vor allem in den werdenden Industrieländern, sind Interessenskonflikte bei der Verteilung des Öl unausweichlich, wenn wir es nicht schaffen den Stellenwert des Erdöls in unserer Energieversorgung, hierzulande besonders im Mobilitätsbereich, zu senken.

Quellen:
M15 Methanol Gasoline Blends
Jack Herer, Mathias Bröckers – Hanf
Daniele Ganser - Erdöl

Dienstag, 6. Dezember 2016

Nicht vergessen: Das Staatsschutzgesetzes ist in Kraft, auch wenn davon nichts mehr zu hören ist

Das Staatsschutzgesetzes (PStSG) ist ein hervorragendes Beispiel, das demonstriert welche Macht den Medien heutzutage zukommt: Sie haben wenig vom Staatsschutzgesetz berichtet und wenige Fakten dazu geliefert, seit es am 01.07.2016 in Kraft getreten ist, ist es völlig aus den Medien verschwunden. Ein Überwachungsgesetz wurde unauffällig und ohne großen Widerstand, mit fast kompletter Zustimmung seitens der Regierungsparteien im Nationalrat, hinter dem Rücken der abgelenkten Bevölkerung eingeführt.

Am 23 Jänner 2016, kurz vor Beschluss des Gesetzes im Nationalrat, hat der AKVorrat eine Demonstration vor dem BVT veranstaltet – rund 150 Personen sind gekommen, man sieht der Widerstand ist gering, wenn von der Bevölkerung nicht klar ersichtlich ist welche Probleme durch ein Gesetz entstehen und wie sie persönlich betroffen sind. Trotz 18 Stellungnahmen von Richtervereinigung, Arbeiterkammer oder Wirtschaftskammer usw. erachtete man es nicht als notwendig auf die Kritik einzugehen und das Gesetz umfangreich zu ändern, ohne eine Unterstützung aus der Bevölkerung ist die Kritik schwach und kann ignoriert werden, denn es merkt kaum wer, schon allein wegen der fehlenden Berichterstattung. Es ist geradezu ironisch, dass die Medien diesem Gesetz wenig Aufmerksamkeit gewidmet haben, denn gerade Journalisten werden unter dem Staatsschutzgesetz mitunter schnell zu Verdächtigen, sollten diese im Rahmen von Ermittlungstätigkeiten Kontakte zu Islamisten oder anderen radikalen Personen pflegen. Obschon, die betroffenen Journalisten haben zu dem Gesetz sehr Wohl Stellung genommen, in kritischen Tönen. Die einigen positiven Stellungnahmen zu dem Gesetz stammen bezeichnender Weise aus anderen Ministerien oder Landesregierungen.

Ein weiterer Indikator an dem sich eine geringe mediale Aufarbeitung des Gesetzes festmachen lässt, ist eine Online-Petition des AKVorrat, diese wurde von ganzen 30.078 unterzeichnet. Das zeigt eine ziemliche Gleichgültigkeit gegenüber dem Gesetz, das unter Umständen einmal jeden von uns betreffen könnte. Doch wer ist dieser AKVorrat eigentlich? Der Arbeitskreis Vorratsdaten Österreich, ist, wie sein Name erahnen lässt, aus dem Widerstand gegen die Vorratsdatenspeicherung (die mittlerweile durch den Europäischen Gerichtshof aufgehoben wurde) entstanden und hat das Ziel einen zeitgemäßen Datenschutz umzusetzen.

An dem kaum vorhandenen Widerstand gegen das PstSG lässt sich noch eine Vermutung ablesen: Vor dem Gesamtbild der angespannten Situation Ende 2015 – Flüchtlingskrise und Terroranschläge in Frankreich – haben sich umso weniger Menschen überzeugen lassen, ein als anti-terror Maßnahme verkauftes Gesetz, zu kritisieren. Ein weiteres interessantes Detail betrifft den Gesetzgebungsprozess selbst, welcher mehr als undurchsichtig gestaltet war, laut dem AKVorrat waren die Konsultationen im Vorfeld nicht öffentlich. Es war also nicht gewünscht, dass Informationen zum Gesetz zur Bevölkerung vordringen.

Was ist aber die konkrete Kritik an dem Gesetz?, ich werde hier einige Punkte aufzählen. Laut Richtervereinigung verlangt der Gesetzesentwurf selbst Strafrechtsexperten „ein hohes Maß an Mühe und Fleiß ab, den Bedeutungsgehalt des 'verfassungsgefährdenden Angriffs' nach dieser Definition (jener des Staatsschutzgesetzes) zu erschließen“. Ein verfassungsgefährdender Angriff ist eine jene Straftat, um die es zu verhindern, das Staatsschutzgesetz eine Überwachung erlaubt. Die Richtervereinigung verweist deshalb in ihrer Stellungnahme auf ein treffendes Zitat des Verfassungsgerichtshofes: „[...] dass der Gesetzgeber der breiten Öffentlichkeit den Inhalt seines Gesetzesbeschlusses in klarer und erschöpfender Weise zur Kenntnis bringen muss, da anderenfalls der Normunterworfene nicht die Möglichkeit hat, sich der Norm gemäß zu verhalten. Diesem Erfordernis entspricht weder eine Vorschrift, zu deren Sinnermittlung qualifizierte juristische Befähigung und Erfahrung sowie geradezu archivarischer Fleiß vonnöten ist, noch eine solche zu deren Verständnis subtile verfassungsrechtliche Kenntnisse, außerordentliche methodische Fähigkeiten und eine gewisse Lust zum Lösen von Denksport-Aufgaben erforderlich ist.“ Die schwammigen Formulierungen lassen obendrein Spielraum für Missbrauch offen. Laut Richtervereinigung ist der Gesetzgeber außerdem eine Rechtfertigung, für die starke Ausweitung der Eingriffsmöglichkeiten des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) auf „viel zu viele“ Delikte, schuldig. Auch die umstrittenen V-Leute die vom BVT durch das Gesetz eingesetzt werden können, sind zurecht umstritten, sie kommen meist aus dem kriminellen Umfeld, gegen das sie eingesetzt werden sollen – es fehlen die Zuverlässigkeitsvoraussetzungen. Außerdem besteht das Risiko einer Tatprovokation durch einen V-Mann, was zum Problem wird wenn der Beschuldigte diese begründen kann, denn dann trifft den Staatsanwalt die Beweislast. Dieses Problem wurde laut Richtervereinigung nicht vom Gesetzgeber berücksichtigt.

Zu einem weiteren Kritikpunkt zählt die Tatsache, dass das BVT durch das Staatsschutzgesetz im Grunde zu einem Geheimdienst wird und mit Nachrichtendienstbefugnissen ausgestattet wird. Das BVT hat Einsicht in die Daten von Behörden oder Firmen und wird dabei nur vom sogenannten Dreier Senat, bestehend aus Rechtsschutzbeauftragtem und Stellvertretern, kontrollier, unterliegt jedoch keiner richterlichen Kontrolle. Darüber hinaus kann das BVT die Akteneinsicht des Rechtsschutzbeauftragten einschränken, wenn das Bekanntwerden der Informationen, aus den Akten die „nationale Sicherheit oder die Sicherheit von Menschen gefährden würde“. Die Richtervereinigung merkt dazu folgendes an: „Unterstellt man dem Rechtsschutzbeauftragten nicht, dass er möglicherweise unter Begehung eines Amtsmissbrauchs streng geheime Informationen unbefugt weitergibt, kann man nur annehmen, dass die Gefährdung der nationalen Sicherheit oder von Menschen daraus resultiert, dass der RSB eine gewünschte Ermächtigung nicht erteilt, wenn er unbeschränkte Akteneinsicht hat.“ Eine nicht gerade beruhigende Erkenntnis.

Schließlich werden die Überwachungsdaten natürlich auch gespeichert und genau hier verursacht das Gesetz eine besonders grobe Diskrepanz, die Daten werden nämlich vom BVT für sechs Jahre gespeichert, aber wer darauf zugreift wird nur drei Jahre lang gespeichert. Außerdem dürfen die Überwachungsdaten an ausländische Geheimdienste weiter gegeben werden, der AKVorrat kritisiert, dass damit jeder Datenschutz hinfällig ist.

Abschließend ist noch zu sagen, dass mit dem Staatsschutzgesetz fortan auch „ideologisch motivierte“ Straftaten als verfassungsgefährdender Angriff angesehen werden können. „Ideologisch motiviert“ ist gerade in einer Zeit, in der die Bevölkerungen der Länder Europas mehr und mehr Unzufriedenheit zeigen - die Bilder der Demonstrationen aus Griechenland, Frankreich oder Groß-Britannien sind bekannt – eine gefährliche Formulierung. Sollte es auch bei uns zu derartigen Demos kommen, stellt sich die Frage, ob sich ein schwammig formuliertes Gesetz wie dieses, nicht schnell auf Aktivisten anwenden ließe. Laut AKVorrat umfasst der Strafkatalog, nämlich nicht nur demokratie- oder staatsfeindliche Handlungen.

Weitere Artikel:
Profil - Staatsschutzgesetz: Die Konsequenzen der neuen Überwachung