Freitag, 23. September 2016

Zuckermarktreform - Politische Argumente

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Diskussion zum Thema Regulierungen/Liberalisierungen am Beispiel des Zuckermarkts. Wie sinnvoll ist die geplante "Reform"?

Zahlen und Fakten
  • Der Weltmarkt für Zucker ist höchst volatil und erschwert dadurch eine stabile Versorgung.
  • Die Erzeuger erfordern einer gewisser Planungssicherheit, die über den Weltmarkt nicht gewährleistet ist.
  • 85% (vorher 115%) des Zuckerverbrauchs werden in der EU produziert, was auf die noch bestehenden Quoten zurückzuführen ist.
  • Die Zuckermarktordnung beinhaltet folgende Kernelemente:
    • Eine maximale Produktionsquote, welche sicher stellt, dass sich die Produktion nicht auf wenige Gebiete konzentriet (kann zu großen Ausfällen und Abhängigkeiten führen).
    • Ein Mindestpreis für Zuckerrüben, um ebenfalls einen verstreuten Anbau zu gewährleisten.
  • Eine Refrom der Zuckermarktordnung wurde 2006 durchgeführt, Ziele waren:
    • Senkung der europäischen Zuckerproduktion auf 12 Mio. Tonnen (minus 6 Mio Tonnen).
    • Senkung der Referenzpreise für EU- und importierten Zucker um 36%.
    • Die Senkung des Mindestrübenpreises um 40%.
  • 2009 wurden weitere Deregulierungen vorgenommen:
    • Der Zuckermarkt wurde für Einfuhren aus den LDC (Least Developed Countries) und AKP-Ländern (Afrik, Karibik, Pazifik) geöffnet.
    • Zölle und Mengenbegrenzungen wurden vollständig aufgehoben.
  • Die Reform hatte weitreichende Folgen:
    • In Österreich die Schließung der Fabrik Hohenau.
    • Aufgrund der Volatilität am Zuckermarkt ist der Import nach Europa unsicher und stark von Ausfällen und Preis abhängig.
    • Die Autarkie Europas ist gefährdet und so wurde die EU innerhalb von 3 Jahren vom Nettoexporteur zum Nettoimporteur.
    • Schließung von 44% der europäischen Zuckerfabriken zwischen 2005/06 und 2010/11. Insgesamt wurden 83 Fabriken geschlossen.

Auf Basis dieser Zahlen und Fakten lassen sich nun einige Argumente und Fragen diskutieren.

...
Argument der Standards: Die europäischen Qualität- und Gesundheitsstandards sind mindestens in der Produktion höher als das beispielsweise bei Rohrzucker aus Brasilien der Falls ist. Vergiftungsfälle durch Pestizide sind dort keine Seltenheit.

Argument des Bedarfs: Ist es in Europa notwendig Zucker zu importieren oder kann der Bedarf aus Eigenproduktion gedeckt werden? Wie oben bereits erwähnt produziert die EU 85% ihres Zuckerbedars selbst, vor der Zuckermarktreform war dieser Wert bei 115% angesiedelt.

Argument der Größenordnung: Die Zuckerindustrie in Europa ist kleiner als im Rest der Welt (insbesondere Brasilien), dadurch ist der Schaden der unserer Industrie durch einen Wegfall der Regulierungen zugeführt wird größer als der Gewinn für die ausländischen Produzenten.

Argument der Umwelt: Importierter Zucker geht mit weiten Transportwegen einher, außerdem sind die Umweltauflagen für die Produktion in den außereuropäischen Ländern nicht so streng. Dies ist darüber hinaus ein finanzieller Nachteil für Produzenten aus Europa, der ihre Wettbewerbsfähigkeit einschränkt und z.B. mit Zöllen kompensiert werden kann.

Widerspruch: Der Vorteil der günstigeren Preise wird damit bezahlt, dass unsere Fabriken ihre Produktionskosten (Löhne etc.) drücken müssen oder schließen müssen (wie oben erwähnt).

Gewichtung: Ist dieser Vorteil groß genug, um den Nachteil in Kauf zu nehmen? Ist ein günstigerer Zuckerpreis ein so großer Profit für die Allgemeinheit? Werden die Endprodukte (z.B. Coca Cola) günstiger oder streifen die Unternehmen nur eine höhere Gewinnmarge ein? Diese Fragen können mit Studien, auf welche der Europäische Rechnungshof (Sonderbericht Nr. 6/2010) verweist, beantwortet werden, welche es als unwahrscheinlich ansehen, dass Preissenkungen an die Verbraucher weitergegeben werden, Preissteigerungen hingegen sehr wohl. (Das ist ähnlich wie beim Öl-Preis, wo sich günstigere Rohstoffpreise auch erst verzögert im Benzin- oder Dieselpreis wiederspiegeln.)

Frage des Fortschritts: Kann durch die Deregulierungen und die damit verbundene erhöhte Konkurrenz ein Fortschritt in der Produktion der europäischen Zuckerproduzenten erzielt werden?, oder wird die heimische Zuckerproduktion damit zu Grunde gerichtet? Der Zuckerpreis ist in Europa nach der Reform 2006 stark gesunken und liegt oft noch weit unter dem Weltmarktniveau. Es ist schwer vorzustellen, dass unter diesen Voraussetzungen ein Fortschritt möglich ist.

Frage des Profiteurs: Wer profitiert von einer Zuckermarktöffnung, sind es große Unternehmen/Investoren oder die Allgemeinheit? Wie sich schon gezeigt hat, spiegelt sich der gesunkene Zuckerpreis nicht in den Endprodukten wieder. Die Profiteure sind daher die zuckerverarbeitende Industrie und jene Produzenten die nach Europa exportieren, sowie die Invstoren hinter diesen Unternehmen. Hier stellt sich die Frage ob das Ziel der Politik sein sollte, denn diese Art von Abkommen/Verträgen werden von „demokratisch“ gewählten Politikern verhandelt und sollten demnach auch deren Wählern (Rübenbauern, Arbeitern in den Fabriken und Konsumenten...) den größten Profit bescheren.

Abschließend lässt sich also sagen, dass diese Reform einen fraglichen Nutzen mit sich zieht. Europa sollte aus eigenem Interesse daran arbeiten ein möglichst unabhängiger Selbstversorger zu sein.

Der vollständige Text ist hier, auf schriftensammlung.com zu lesen.

Weiterführende Informationen:
FAZ: "Die dunkle Seite des Zuckers"
Agrana
Zuckerverbände

Ist der Markt wie er zur Zeit existiert frei?

Oftmals ist von den liberalen unter uns zu hören, der freie Markt dürfe nicht vom Staat beschnitten werden und durch Regulierung gebremst werden. Nichts darf der Anmaßung an Eigentum und der Selbstregulierung der Wirtschaft im Wege stehen. Aber wie frei ist dieser Markt noch und wie frei ist unser Wirtschaftssystem überhaupt, ist es nicht schon längst zum System aus Zwängen und Interessen der Eliten verkommen?

Schon 1928 merkte Edward Bernays in seinem Buch Propaganda an: "Große Unternehmen haben die Tendenz durch Fusion und Monopolbildung noch größer zu werden."

Die Märkte werden heutzutage in vielen Bereichen/Branchen von einigen wenigen, großen Playern dominiert. Das macht sich besonders im IT-Bereich bemerkbar, man denke nur an Google, Amazon oder Facebook. Eine solche Monopolisierung kann nicht als “frei” bezeichnet werden, denn sie korrumpiert genau die Mechanismen die man sich vom freien Markt erwünscht, unter anderem: Die Preisbildung zwischen Angebot und Nachfrage aufgrund des Konkurrenzkampfes, sowie die Möglichkeit auf alternative Produkte auszuweichen. Nun stellt sich die frage was ist an privatem Monopol besser als an staatlichem? Der private Monopolist ist nämlich im Unterschied zum Staat - zumindest sofern dieser eine Demokratie seine Regierungsform nennt - verständliche Weise vielmehr an Gewinnmaximierung interessiert. Das ist weder für die Kunden, noch die Mitarbeiter gut, aber hilft den Aktionären und Investoren am meisten, denn die freuen sich über hohe Dividenden. Den großen Investoren und Konzernen ist es außerdem möglich in den Markt einzugreifen, da sie über das notwendige Kapital verfügen, ähnlich wie dies der Staat mit Regulierungen macht.

Ein weiteres Problem und logische Konsequenz des freien, globalisierten Wirtschaftsraumes ist die Auslagerung der Produktion in jene Länder wo sie am billigsten ist. Das Mag auf den ersten Blick zumindest für die Konsumenten Vorteile mit sich bringen, da so die Preise fallen, jedoch nicht ohne Folgen. Denn sowohl die Arbeitsplätze sowie die Einkünfte aus Steuern für den Staat fehlen dann im Land, wo dieses Unternehmen sesshaft war. Das zwingt die Arbeitnehmer - zum Vorteil der Unternehmen - dazu für weniger Geld zu arbeiten, denn sonst lagern die Unternehmen ihre Produktion noch weiter aus. Mit dem Beitritt der europäischen Südstaaten in den Euro hat sich gezeigt wohin das führen kann. Kapital ist aus den starken Volkswirtschaften abgeflossen und Unternehmen haben ihre Produktion in die schwächeren Wirtschaften ausgelagert. Mit diesem Kapital wurden z.B. in Spanien Immobilien gebaut, welche nie bezogen wurden. Im Gegenzug findet eine Bewegung der Bevölkerung aus den Südländern hin zu Ländern wie Deutschland statt. Die so stark verschiedenen Wirtschaftsbereiche haben sich unter einer Währung nicht gut vereinen lassen.

In unseren heutigen Demokratien haben außerdem besonders Großkonzerne und -investoren die Möglichkeit die Gesetzgebung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Den Großkonzernen steht aus verschiedenen Gründen eine gewisse politische Einflussnahme zu. Einerseits bringen sie dem Staat die Meisten Steuern ein und beschäftigen eine große Zahl Arbeitnehmer, was als Druckmittel dienen kann. Andererseits können sie sich Berater und Lobbyisten leisten, um Politiker direkt in ihrem Sinne zu manipulieren. Sollten aus diesen Umständen Gesetze resultieren welche die Großkonzerne gegenüber regionalen bevorzugen, kann auch hier nur von einem freien Markt mit Einschränkungen die Rede sein. Als Beispiele sollen die Steuerdeals, welche einige Unternehmen wie Amazon mit Luxemburg abgeschlossen haben, dienen.

Kommen wir zu den Eingriffen der Zentralbanken (hier insbesondere der EZB) in die Wirtschaft durch den, eigentlich, unrechtlichen Kauf von Staatsanleihen. Die Gründe seien hier einmal außer acht gelassen, klar ist jedoch, dass durch dieses Vorgehen der Markt beeinflusst wird. Darüber hinaus ist die Staatsfinanzierung durch die EZB, wie von Karl Albrecht Schachtschneider erklärt, illegal. Als Beispiel sei in diesem Zusammenhang auch die Schweizer Nationalbank erwähnt, welche bereits Großaktionär bei Apple und Google ist. Ist das nicht genau das was nicht gewollt ist, ein Eingriff einer staatlichen Organisation in den Markt?

Als letzten Punkt möchte ich noch Derivate anführen, diese sind Vergleichbar mit Wetten des Finanzsystems. Die Derivate, welche heutzutage für den Großteil an Forderungen im Finanzsystem verantwortlich sind (insgesamt rund 600 Bio. $), werden auch großteils - zu 80% - OTC (over-the-counter) gehandelt. Sie entziehen sich also der Preisbildung an der Börse und damit den Gegebenheiten des Marktes. Angesichts des gigantischen Volumens an Forderungen und der teilweise gefährlichen Wirkungsweise dieser Konstruktionen, wäre es angemessen wenn diese zumindest nicht im Verborgenen gehandelt würden.

Zusammenfassend lässt sich sagen ein freier Markt existiert zur Zeit wohl kaum und ohne jegliche staatliche Eingriffe wird er das wohl auch nie können. Interessant ist jedoch, dass die klagenden Stimmen immer dann auftauchen, wenn der Staat die Wirtschaft aus Sicht der liberalen einschränkt, nicht aber wenn er das Gegenteil macht, wie es zum Beispiel die Zentralbanken derzeit machen. Eins steht aber fest: Am Ist-Zustand sollte sich viel ändern, angefangen beim Geldsystem und dem politischen. Aus den vergangenen Jahrzehnten haben wir viel gelernt, man sollte das beste aller Ideologien in betracht ziehen und nicht aus Prinzip eine ablehnen, sei es Kapitalismus oder Sozialismus.

Donnerstag, 15. September 2016

Ambitionierte Ziele unseres Bundeskanzlers

Unser Bundeskanzler regt ambintionierte Ziele - da ist von Vollbeschäftigung die rede - aber wird er es schaffen seinen Worten Taten folgen zu lassen oder gehört das ganze nur zur üblichen SPÖ-Machterhaltungsstrategie und Wählerstimmenbeschaffung angesichts der kommenden Nationalratswahl, bei der die SPÖ und somit der Bundeskanzler dann auch tatsächlich gewählt werden müssten - schließlich ist das sein angestrebtes Ziel. Das Ziel der Vollbeschäftigung geht aber über das Jahr 2018 hinaus (bis 2020) und ist damit als Wahlversprechen qualifiziert.

Was unser derzeitiger BK wohl schon bei der ÖBB gut können hat müssen, ist die Praktizierung von PR und das Schönreden von nicht schönen Dingen. Das Wort Vollbeschäftigung schlägt genau in diese Kerbe, es hört sich danach an, dass die Arbeitslosenquote gegen 0% zeigt, jedoch ist in Österreich bei unter 3,5% Arbeitslosigkeit die Rede von Vollbeschäftigung.

In die Nachrichten kam er kürzlich auch mit der Aussage, Amazon bezahle weniger Steuern in Österreich als ein Würstelstand. Immerhin macht er darauf aufmerksam, jetzt, nachdem er Rückenwind hat. Hätte er sich auch zu diesem Statement hinreißen lassen, würde die EU nicht Milliarden an Steuergeld von Apple zurückfordern? Hier auch kurz ein kleiner Einwand bezüglich der Amerikaner, welche die Steuerrückforderungen auch schon kritisieren, das ist interessant wenn man bedenkt, was die USA mit VW gemacht haben während zum Beispiel GM für einen Schaden der tatsächlich Tote verursacht hat weit geringer Strafen gezahlt hat. Es zeigt sich wieder, was sich Amerika erlaubt dürfen dessen Untertanen noch lange nicht.

Kern spricht außerdem von einer Ausbildungspflicht bis zum Alter von 25, was genau er sich darunter vorstellt, präzisiert er im Sommergespräch nicht weiter. Soll das heißen alle müssen Studieren? und wie soll diese Vorhaben die Arbeitslosigkeit senken? Einerseits möchte der Kanzler die Start-Up Szene fördern, andererseits will er verhindern, dass vor dem 25 Lebensjahr jemand ein Start-Up gründen kann – oder zählt fällt Unternehmensgründung auch unter Ausbildung?.

Die Rückkehr der Erbschaftssteuer findet in Kerns Programm ebenfalls Einzug. Diese Steuer findet natürlich Rückhalt unter all jenen die nicht viel besitzen. Für Grundstücke ist diese Steuer, seit Anfang des Jahres, bereits in der Grunderwerbssteuer inkludiert. Kern möchte die Steuer aber auf alle Erbschaften erweitern. Worin die Begründung dafür liegt, Prozesse zu besteuern bei denen kein Geld erwirtschaftet wird (die Erben kaufen ja nicht was sie bekommen) entgeht mir jedenfalls.

Warum möchte sich unser Herr Bundeskanzler nicht einmal akuten Aufgaben annehmen?
Die Flüchtlingskrise ist nach wie vor ein großes Problem und wird auch nicht enden solange in Syrien Krieg herrscht. Es hilft wenig, vor zu haben, die Einwanderung auf ein bewältigbares Maß zu begrenzen wenn die Ursachen nicht aus der Welt geschaffen werden, das ist reine Symptomsbekämpfung. Es müssen die Zusammenhänge aufgezeigt werden, warum die Flüchtlinge kommen, warum Krieg in Syrien herrscht und dann muss am Ursprung geholfen werden, von der EU gemeinsam. Jene Flüchtlinge die hier sind sollten auf eine mögliche Rückkehr vorbereitet werden und am besten in Arbeitsplätze aufgenommen werden, durch die sie Fähigkeiten erlangen, die ihnen bei einem Wiederaufbau helfen.

Das Finanzsystem ist nach wie vor instabil und marod, es bedarf auch hier Ambitionen auf EU Ebene die Finanzinstitute zu regulieren und zu entmächtigen. Stattdessen möchte Herr Kern die eigene Bevölkerung durch mehr Zwänge entmächtigen - dieser Eindruck erwächst zumindest bei mir.

Der Rechnungshof wird von unseren Regierungen seit Jahren ignoriert und auch unser neuer Bundeskanzler, hat nicht viel übrig für dessen Vorschläge. Aber vielleicht hat das auch damit zu tun, dass man einen Apparat geschaffen hat der viele Menschen mit Jobs versorgt, welche durch eine Verwaltungsreform möglicher Weise gefährdet wären.