Samstag, 28. Januar 2017

Die Rolle der politischen Lethargie

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Das Interesse an Politik und Demokratie geht bei vielen nicht über das Abgeben der Stimme bei einer Wahl hinaus. Nach der Betrachtung einiger Statistiken wird deutlich, dass etwa in Deutschland kaum die Hälfte der Bevölkerung an Politik interessiert ist, dazu ein Zitat: "So ergab im Jahr 2003 eine repräsentative Umfrage, dass 40 Prozent der regelmäßigen Wähler nur schwach oder gar nicht politisch interessiert sind." (Für Gelegenheitswähler gelten 56% und für Nichtwähler 76%.) Nun ist ein übliches Verständnis von Demokratie jenes, dass die Mehrheit die politischen Entscheidungen trifft, indem sie von Volksvertretern repräsentiert wird. Die Mehrheit der Bevölkerung ist aber nur schwach oder gar nicht an Politik interessiert. Fraglich ist also, warum das so ist und welche Probleme dieser Zustand aufwirft.

Denn es ist unschwer festzustellen, dass bei einem derartig niedrigen Interesse an Politik, unsere Volksvertreter geradezu verführt werden in anderem Interesse zu handeln als in jenem der Mehrheit der Bevölkerung. Dass sie dies auch machen unterstreicht Jean-Claude Junckers berühmtes Zitat: "Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt." Auch wenn unsere Bevölkerung von politischer Lethargie erfasst ist, so dämmert es doch Jahr für Jahr immer mehreren, dass die Interessen des Kapitals schwerer wiegen als jene der Bevölkerung – und diese Interessen sind ein Mehr an Profit und Wachstum, nicht etwa Nachhaltigkeit oder Umweltschutz. Die unzähligen Fälle von Lobbying oder Parteifinanzierung durch mächtige Unternehmen, widerlegen diesen Verdacht nicht.

Was hat zur politischen Lethargie beigetragen?
An dieser Stelle seien einige Faktoren aufgezählt, die Politikverdrossenheit und den Mangel an Interesse begünstigen, wobei besonders die Rolle der Medien hervorzuheben ist. Welcher Zustand ist notwendig, dass jemand davon abgehalten wird sich politisch zu engagieren? Diese Frage lässt sich vermutlich auf viele Arten beantworten, aber ein Szenario ist besonders vielversprechend: Jemand der vor einem großen Rätsel, voll Verwirrung, steht und zusätzlich den Eindruck bekommt, das Problem sei ihm über den Kopf gewachsen – nur Experten können es lösen, der wird sich, wenn dann noch von ihm verlangt wird eine Meinung zu jedem beliebigen Thema zu haben, wenig am politischen Diskurs beteiligen. Aber wie realistisch ist dieses skizzierte Szenario?

Psychologen wie Rainer Mausfeld (Warum schweigen die Lämmer) oder Journalisten wie Ulrich Teusch (Lückenpresse) zeigen, dass es tatsächlich sehr realistisch ist, denn unsere Medien sind bei weitem nicht so objektiv und vollkommen in ihrer Berichterstattung, wie sie das sein sollten. Das heißt nicht, dass sie etwa schlicht Lügen oder Unwahrheiten verbreiten (müssen), obwohl das auch oft genug der Fall ist (Beispiel: Bericht über russische U-Boote vor Schweden, welche dann doch deutscher und schwedischer Herkunft waren). Am wirkungsvollsten kann politische Lethargie durch Verwirrung erzeugt werden, sprich entscheidende Informationen werden nicht kommuniziert, nicht in ihren Kontext eingefügt oder in einen falschen eingebettet. Das Beispiel der angeblichen russischen U-Boote ist hier sehr passend, denn die Falschmeldung wurde nur von den wenigsten korrigiert, als man bereits über die tatsächliche Herkunft der U-Boote Bescheid wusste. Eine ähnliche Methode ist die der Fragmentierung: Von Ereignissen wird unabhängig voneinander und ohne deren Zusammenhänge berichtet, wobei ein Übermaß an Details kommuniziert wird aber die wichtigen Ursachen dennoch unbeleuchtet bleiben. Das sieht man beispielsweise am Syrien-Konflikt, bei dem die Ursache – eine iranische und eine katarische Pipeline, welche durch Syrien führen sollen – nicht untersucht (oder zumindest nicht veröffentlicht) wird. Ohne diese wichtigen Ursachen und Zusammenhänge ist es aber beinahe unmöglich sinnvolle Schlussfolgerungen zu ziehen und die Situation korrekt einzuschätzen.

Das ganze geschieht vor dem Hintergrund geopolitischer und finanzieller Interessen. Einerseits sind viele der Verlage kapitalmarktorientiert und daher aufgrund der Beteiligungen ihrer Aktionäre nicht völlig unabhängig oder überhaupt nur wenig unabhängig. Nun ist es auch bekannt, dass so mancher Milliardär, wie George Soros, gerne Einfluss auf die öffentliche und die veröffentlichte Meinung ausübt. Man muss in den Beteiligungen an Medien also mindestens ein potenzielles Risiko sehen, wenn man nicht gleich eine Einflussnahme annimmt. Einen weiteren Hebel der die Berichterstattung unserer Medien zu manipulieren vermag ist die Werbung: Die deutschen Zeitungen erzielten etwa 2008 rund zwei Drittel ihres Umsatzes mit Anzeigen und Werbung. Diese Werbekunden gilt es nicht zu vertreiben, ja im Grunde sind sie wichtiger als die Leser - wenn diese nur ein Drittel des Umsatzes ausmachen – jedoch werden sie für die Auflage und die Klickzahlen gebraucht. Abschließend seien an dieser Stelle noch die vielen Think-Tanks und Stiftungen Amerikas erwähnt, welche unter deutschen Journalisten sehr beliebt sind. Sie sollen der transatlantischen Zusammenarbeit und dem Informationsaustausch dienen, aber angesichts der amerikanischen Übermacht ist es schwer zu glauben, dass ihr Zweck nicht die Durchsetzung geopolitischer Interessen der USA ist.

Außerdem dem Desinteresse zutragend ist die Obrigkeitshaltung vieler Politiker, welche die alleinige Zuständigkeit für die Politik für sich beanspruchen. Gerne verwendet dieser Typ der Volksvertreter auch eine Vielzahl der vernebelnden Begriffe aus dem neoliberalen Vokabular, unter denen sich keiner etwas konkretes Vorstellen kann. Beispiele sind: Harmonisierung, Strukturanpassung etc. Jemand der sich im Kontext dieser Zustände politisch Beteiligen will, sich eine Meinung bilden will, wird leicht überfordert, denn das ist nicht ohne Zeitaufwand möglich. Zeit die nicht alle von uns haben oder schon für Job und Kinder brauchen. Unter der Berücksichtigung dieser Annahmen entsteht dann auch der berechtigte Verdacht, dass viele Menschen darauf warten, dass jemand (oder eine Partei) "kommt" und den Zustand ändert, sodass sie nicht selbst aktiv werden müssen („Nach Kanzler Mustermann kann ja nichts schlechteres mehr kommen...“).

Zusammenfassend lässt sich der Prozess (vom Interesse) zum Desinteresse mit dem Konzept der erlernte Hilflosigkeit erklären. Dieses beschreibt die Erwartung eines Menschen, dass er bestimmte, ihn betreffende Prozesse nicht beeinflussen kann und unabhängig davon, wie er handelt, immer mit dem gleichen, negativen Ergebnis konfrontiert wird. Daraufhin beginnt er diesen Zustand zu akzeptieren und kämpft nicht mehr dagegen an. Etwa wenn ein amerikanischer Staatsbürger zur Prsädidentschaftswahl die Entscheidung zwischen Demokraten und Republikanern hat, aber egal wofür er sich entscheidet, Krieg (der USA gegen andere Länder) wird immer ein Resultat sein.

Politische Lethargie im Kontext der Demokratie
Wer eine Demokratie anvertraut bekommt, muss sein demokratisches Recht und seine Verantwortung auch wahrnehmen. Denn er ist für die Entscheidungen der Politiker, insofern mitverantwortlich, da er diesen zustimmt oder sie ablehnt. Eine Enthaltung bedeutet jedoch nicht ein Entgehen der Verantwortung, denn dadurch wird den regierenden freie Hand gegeben.

Ein Beispiel: Ein Mitwirken an Kriegen im Nahen Osten würde in der deutschen Bevölkerung höchst wahrscheinlich mehrheitlich abgelehnt werden. Da aber die Bevölkerung ihre Ablehnung nicht aktiv der Regierung demonstriert, ist sie mitverantwortlich für die Folgen der Tornado-Aufklärungsflüge und des US-Drohnenterrors, der von Rammstein gesteuert wird.

Die politische Teilnahmslosigkeit ist also nicht für alle ein Problem, jene Volksvertreter, die ihre Entscheidungen gerne etwas losgelöster vom Volk fällen möchten, profitieren davon. Je größer das politische Desinteresse in der Bevölkerung, umso mehr Korruption wird ermöglicht, ohne Widerstand hervorzurufen. Da Politiker ihrer Bevölkerung keine Rechenschaft schuldig sind, kann nur durch aktive Beteiligung an Politik eine Politik im Sinne der Gemeinschaft herbeigeführt werden.

Donnerstag, 19. Januar 2017

Konkurrenz und Kooperation

„Konkurrenz belebt das Geschäft“ - wie im auch im Sport motiviert Konkurrenz dazu besser als die andern, die Mitstreiter zu sein. Die Konkurrenten versuchen in der Wirtschaft Wege und Mittel zu finden, um effizienter und billiger zu produzieren, sie versuchen Methoden zu entwerfen, welche ihnen einen Vorteil verschaffen, was allgemein im Sinne des Fortschritts ist. Jeder versucht jedoch seinen Fortschritt für sich zu beanspruchen und möglichst nicht der Konkurrenz zugänglich zu machen. Das ist vom Standpunkt der uneingeschränkten Anreicherung an Privateigentum verständlich, denn wer beispielsweise das Patent – also im Grunde das Monopolrecht – auf Viagra hat, besitzt damit eine fixe Einkommensquelle. Er hat die Möglichkeiten, das Produkt entweder selbst herzustellen oder Lizenzen für die Herstellung zu vergeben, beide stellen ein gutes Geschäft dar und garantieren ihm Einnahmen.

Für den einzelnen ist das alles schön, vom Standpunkt einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive wäre es aber wünschenswert wenn alle vom Fortschritt profitieren und alle zum Fortschritt einer Technologie beitragen können. Denn Konkurrenz belebt eben nicht nur das Geschäft, sondern animiert die Konkurrenten auch dazu, sich gegenseitig Steine in den Weg zu legen – wer einen technologischen Vorsprung für sich behaupten kann, hat auch einen ökonomischen Vorsprung. Es ist nicht gewollt, dass die Konkurrenz von den eigenen Technologien Bescheid weiß und wenn doch, dann sollte sie diese zumindest nicht verwenden können, ohne dafür zu bezahlen (Patentierung). Diese Mechanik verhindert einen gemeinsamen Beitrag zum Fortschritt.

Dass es auch anderes funktioniert sieht man in der Welt der Software: Opensource ist kein zum Scheitern verurteiltes Konzept, sondern funktioniert hervorragend. Denn jeder kann die verfügbaren Technologien frei verwenden und zu derem Fortschritt beitragen, wovon wiederum jeder profitiert, weil die Technologie dadurch für ALLE besser wird.

Der Forst- und Betriebswirt Erwin Thoma - der Häuser vollständig aus Holz baut - spricht eine weitere wichtige Tatsache an, welche uns zu denken geben sollte: Die Natur (der Wald) kooperiert nämlich um zu bestehen und zu überleben, anstatt zu konkurrieren. Eine Einschränkung gibt es dabei jedoch, Bäume konkurrieren solange bis sie einen Platz für sich behaupten können und Zugang zum Sonnenlicht haben. Diese Konkurrenz ist notwendig, aber eben auch nur bis zu diesem Punkt. Forst- und Betriebswirtschaft vertreten, wenig überraschend, auch vollkommen gegensätzliche Ansätze zur Nachhaltigkeit. Während in der Betriebswirtschaft das Dogma des unbeschränkten Wachstums dominiert, grenzt die Forstwirtschaft Wachstum ein und ermöglicht es dort, wo vorher Platz dafür geschaffen wurde. Andernfalls wäre sie, konfrontiert mit den offensichtlichen Einschränkungen bezüglich Platz und Ressourcen, wenig erfolgreich.

Wie könnte man in unserer Wirtschaft das Gewicht der Kooperation gegenüber dem der Konkurrenz steigern? Ich könnte mir das folgendermaßen vorstellen: Patente könnten nicht mehr das Exklusivrecht auf den Besitz einer Technologie darstellen, sondern die „patentierte“ Technologie könnte jedem frei zur Verfügung stehen, solange er selbst entdeckte Verbesserungen ebenfalls wieder frei zur Verfügung stellt.

Anbieter die eine solche Technologie verwenden wüssten selbst am besten über die von ihnen verwendeten Technologien Bescheid und wie sie diese verwenden. Dementsprechend haben sie die Möglichkeit Services für ihre Produkte anzubieten, wie das im Opensource-Bereich der Software bereits der Fall ist. Auf die Warenproduktion übertragen könnten das Services wie die Reparatur oder das zur Verfügung stellen von Reparaturteilen sein. Auch Verbesserungen statt vollständig neuer Produkte könnten angeboten werden. Diese Verbesserungen können vom Hersteller selbst oder von anderen kommen, insgesamt profitieren beide davon. Im Kontext der heutigen Wirtschaft ist das jedoch, wie wir im letzten Artikel zu geplanter Obsoleszenz gesehen haben, nicht gewollt und aus systemischen Gründen auch nicht großflächig möglich.

Montag, 9. Januar 2017

Geplante Obsoleszenz - eine treibende Kraft oder eine getriebene?

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Geplante Obsoleszenz, oder auch geplanter Verschleiß, ist ein Phänomen, dem immer mehr Aufmerksamkeit zukommt, sowohl in den Medien als auch in der Bevölkerung. Jedoch wird sie allzu oft als isolierte Erscheinung betrachtet – ein Instrument, welches sozusagen auf freiwilliger Basis von Unternehmen angewandt wird – das ist aber keine treffende Darstellung, weshalb ich dieses Instrument im folgenden Text in das, es umgebende, Gesamtbild einbetten werde.

Zu allererst eine sehr gute Definition des Begriffs von Christian Kreiß, welcher ein erleuchtendes Buch zu dem Thema verfasst hat (Christian Kreiß - Geplanter Verschleiß): Geplanter Verschleiß ist „die gezielte, durch die Hersteller nicht offengelegte Reduzierung der ökonomischen Haltbarkeit von Produkten mit dem Zweck, bei den Kunden vorzeitige Ersatzkäufe auszulösen.“ Die Reduzierung der Haltbarkeit kommt genauer gesagt einer Preissteigerung gleich, da der Preis pro Nutzung dadurch folglich steigt. Wie die Definition außerdem andeutet muss das Instrument geplante Obsoleszenz außerhalb der Kundenwahrnehmung angewendet werden, sprich jene Informationen, die bei einem Produkt darauf hinweisen, dürfen für den Kunden nicht ersichtlich sein. Dazu gehören beispielsweise die Produktlebensdauer oder die Reparierbarkeit, sowie die Verfügbarkeit von Ersatzteilen. Instinktiv mag man vielleicht annehmen es wäre für die Hersteller schwer die Produktlebensdauer genau anzugeben, wie Herr Kreiß in seinem Buch jedoch darlegt, können diese die Lebensdauer ihrer Produkte exakt planen und tun dies auch.

Bei geplanter Obsoleszenz lassen sich des Weiteren drei Arten des Verschleißes abgrenzen:
  • Technische/funktionelle Obsoleszenz: Diese Art der Obsoleszenz liegt in der Natur des technischen Fortschritts und ist selten mit dem Ziel verknüpft, Kunden zu Ersatzkäufen zu zwingen. Pferdekutschen wurden beispielsweise durch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor ersetzt. Jedoch können Produkte absichtlich so gestaltet werden, dass ein Nachfolgemodell früher als notwendig erforderlich ist (z.B. absichtlich steigende technische Anforderungen eines Betriebssystems).
  • Qualitative Obsoleszenz: Dies ist jener Verschleiß der bewusst von Herstellern als Absatzinstrument genutzt wird. Ein klassisches Beispiel ist das Glühbirnenkartell. Der Verschleiß kann etwa durch den Einbau von Sollbruchstellen oder durch die Verwendung von Bauteilen minderer Qualität erzielt werden. Ein Beispiel dafür sind auch Drucker welche mit einem Zähler ausgestattet sind, der sie nur eine bestimmte Anzahl Seiten drucken lässt.
  • Psychologische Obsoleszenz: Hierbei handelt es sich um das Ausnutzen und Steuern von Modezyklen, wodurch voll funktionsfähige Produkte ersetzt werden – das Kaufbedürfnis ist rein psychologisch.

Wann kommt geplanter Verschleiß am ehesten zur Anwendung? Ein Faktor welcher die Anwendung des Instruments ermutigt ist die Marktsättigung, denn solange die Nachfrage höher ist als das Angebot ist es für Hersteller nicht sinnvoll kurzlebige Produkte zu produzieren, da sie diese ohnehin problemlos an den Mann bringen können. Ein weiterer Faktor ist die Kapitalmarkt- und Gewinnorientierung, welche praktisch bei allen Großkonzernen vorliegt: Aufgrund dieser sind die Unternehmen gezwungen ihren Aktionären Jahr für Jahr höhere Renditen zu ermöglichen, was im Normalfall eine Absatzsteigerung voraussetzt.

Welche Auswirkungen hat geplante Obsoleszenz im groben? Die zusätzlich verkauften Produkte müssen selbstverständlich auch erzeugt werden, was einen unnötigen Mehraufwand an Arbeitszeit und Ressourcen zur Folge hat. Darüber hinaus entsteht durch das verfrühte Ersetzen von Produkten logischerweise viel Abfall. Außerdem ist zusätzliche Werbung notwendig, um auf die neuen Produkte aufmerksam zu machen, was zu erhöhten Werbekosten führt.

Ursachen
Die Ursachen für die kürzer werdende Lebensdauer unserer Konsumgüter (im B2B-Bereich ist geplanter Verschleiß nämlich sehr unüblich, da hier der Verkäufer keinen Informationsvorteil gegenüber dem Käufer hat) hat ihre Ursachen im Wirtschafts- und Geldsystem. Der prominente Psychologe Edward Bernays formulierte bereits 1928 in seinem Buch Propaganda, dass die Nachfrage für die Erzeugnisse der Massenproduktion aktiv geschaffen werden muss (über Werbung) und sich nicht das Angebot nach der Nachfrage richtet, wie das in der handwerklichen Ökonomie der vorindustriellen Zeit der Fall war. Seit dem hat sich der Zustand nicht umgekehrt, sondern nur verstärkt.

Was ebenfalls am Geldsystem liegt. Denn dieses baut unter anderem auf zwei Prämissen auf: Nämlich, dass unbeschränkte Eigentumsanreicherung und Zinseszins gut und notwendig sind. Mathematisch führt das über die Exponentialfunktion aber einerseits zu einer Umverteilung von Reichtum und generiert außerdem einen regelrechten Wachstumszwang. Da nämlich die Zinsforderungen immer der Geldschöpfung vorauseilt (und diese wiederum der Wertschöpfung), besteht stets ein Mangel an Geld um die offenen Schulden zu bedienen. Die Zinsen werden also beglichen in dem Menschen für das aufzubringende Geld arbeiten oder andere für sich arbeiten lassen – Geld selbst kann nicht arbeiten, auch wenn diese Aussage sehr beliebt ist und sich schön anhört.

Rolle der Werbung
Die Werbung ist der Wirkstoff, um die Symptome von Wirtschafts- und Geldsystem zu befriedigen. Sie generiert in der Gesellschaft den Wunsch Produkte besitzen zu wollen (Materialismus) und regt zum Kaufen an (Konsumismus). Sinn der Werbung ist nicht das Informieren des Betrachters, sondern die Steigerung des Absatzes des werbenden Unternehmens. Um diesem Ziel nachzukommen sind beschönigende Darstellungen und Aussparungen der Negativseiten eines Produkts notwendig. Eine Werbung die objektiv informiert wäre logisch widersprüchlich mit ihrem Ziel – der Absatzsteigerung. Werbung bedient also den Wachstumszwang und schafft jene Nachfrage, die für Massenproduktion dringend notwendig ist.

Im Zusammenhang mit Werbung sind außerdem die Sozialen Netzwerke und sogenannte Datensammler (wie Acxiom) hervorzuheben. Je nach „Like-Verhalten“ kann nämlich die Persönlichkeit eines Facebook-Nutzers mit erschreckender Genauigkeit vorhergesagt werden. Die Datensammler verfügen aber nicht nur über Informationen aus den Sozialen Netzwerken, sondern sammeln sämtliche Daten die sie finden (erwerben) können, filtern diese und bieten sie für Werbezwecke an (Norbert Häring hat in seinem Buch „Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen“ ein hochinteressantes Kapitel zu diesem Thema verfasst). Diese Technologien öffnen gezielter und individueller Werbung Tür und Tor, was ein noch höheres Maß an geplanter Obsoleszenz ermöglicht. (Hierzu ein Videotipp)

Auch die Medien müssen an dieser Stelle erwähnt werden. Sie berichten zwar über geplanten Verschleiß aber nicht darüber welche Rolle Werbung dabei einnimmt. Einen Grund dafür erklärt Christian Kreiß in seinem Buch wieder sehr einprägsam: Die Medien erwirtschaften einen Großteil ihrer Einnahmen durch das Anbieten von Werbeflächen, sie haben also kein Interesse ihre Werbekunden in Artikeln anzuschwärzen.

Die Rolle der Gesellschaft
Die Gesellschaft hat insofern Einfluss auf die Anwendung des Instruments geplante Obsoleszenz, als dass sie darüber umfangreich informiert ist und genau das ist nur zu einem geringen Grad der Fall. Aufgrund der Desinformation der Gesellschaft durch Medien und auch Bildung im Hinblick auf die Funktionsweise unseres Wirtschaftssystems, hat die Gesellschaft des weiteren immer stärker werdende Symptome entwickelt: Sie lässt sich im groben als eine materialistische Konkurrenz- und Konsumgesellschaft beschreiben, nicht etwa als eine Kooperationsgesellschaft.

Die krankhaften Symptome der Gesellschaft verdeutlichen sich zum Beispiel in den Forderungen nach längeren Geschäftsöffnungszeiten, diese haben ihre Ursache entweder im Konsum- oder im Konkurrenzdrang. Vor allem der Konkurrenzdrang scheint eine besondere Rolle zu spielen, denn dieser hat auch den Arbeitsmarkt erfasst. Folglich muss man als Arbeitnehmer mehr Überstunden leisten, um nicht „überflüssig gemacht zu werden“, wie man im Englischen so schön sagt („to be made redundant“). Wer viele Überstunden leisten muss, hat selbstverständlich weniger Zeit für übrige Erledigungen und kann etwa erst später am Abend Einkäufe erledigen.

An dieser Stelle auch noch ein Zitat, welches die Ursache des Konkurrenzdrangs verdeutlicht: „Weil aus systemischen Gründen immer zu wenig Geld da ist, um alle Forderungen zu begleichen und sich die Lücke fortwährend vergrößert, verschärft sich auch der Konkurrenzkampf um das ständig zu knappe Tauschmittel laufend.“ Die systemischen Gründe wurden oben bereits erklärt, die Auswirkungen bekommt die gesamte Gesellschaft in Form von Konkurrenzkampf zu spüren. Die Lösung, um Praktiken wie dem geplanten Verschleiß als Gesellschaft zu entrinnen ist also Bildung und Interesse für das Thema. Es ist wichtig nicht nur einzelne Details zu erkennen sondern vor allem deren Zusammenhänge. Geplante Obsoleszenz ist nur möglich so lange die Mehrheit der Kunden – im weiteren Sinne die Bevölkerung – mitspielt.

Das ganze Bild im Überblick
Das Wirtschafts- und Geldsystem erzeugt also den (Wachstums-)Zwang, welcher zu geplantem Verschleiß führt. Medien und Bildung ermöglichen durch Desinformation - oder vorsichtiger ausgedrückt, durch das Aussparen von Information – das Funktionieren des Absatzinstruments. Und die Politik welche von Lobbyismus untergraben ist, ermöglicht die entsprechende Gesetzgebung.