Freitag, 23. Dezember 2016

Verbote – eine politische Lösung oder Problemverstärker?

Verbote sind in unserer Gesellschaft alltäglich und werden von der Politik oft als Lösung letzter Instanz verwendet. Aber nicht immer werden mit Verboten die gewünschten Effekte erzielt und der Zustand verschlechtert sich womöglich sogar. Vereinzelte Beispiele zeigen, dass eine Aufhebung der Verbote sogar eine Verbesserung der Umstände mit sich bringen kann. In diesem Text möchte ich deshalb Bereiche in der Gesellschaft betrachten, die mit Verboten versehen sind oder für die welche gefordert werden.

Vorab aber ein wenig Grundsätzliches zur Natur und Psychologie von Verboten. Diese stellen allgemein eine Einschränkung der Entscheidungsmöglichkeiten des Einzelnen dar, egal ob ihnen eine gute Intention zugrunde liegt, wobei "gut" an sich schon vom Betrachter abhängt und damit subjektiv ist. Die von den Betroffenen empfundene Einschränkung durch das Verbot, kann dann zu einer Abwehrreaktion, der Reaktanz, führen - solange die Möglichkeit besteht das Verbot zu umgehen oder los zu werden. Reaktanz ist ein Ausdruck des Dranges nach Freiheit, welcher uns angeboren ist. Es ist zum Beispiel nicht möglich Menschen dahingehend zu konditionieren auf ihre Freiheit zu verzichten, weshalb eine Gefängnisstrafe von gesunden Menschen immer abgestoßen werden wird.

Verbote haben also eine tendenziell destruktive Natur, da sie abstoßende Reaktionen hervorrufen, sofern sie nicht für jedermann einleuchtend begründet und nachvollziehbar sind (wie z.B. Geschwindigkeitsbeschränkungen). Reaktionen auf Verbote können sich außerdem in physischen Taten und Gewalt äußern. Eine Gesellschaft, die ohne Verbote auskommt, wäre daher erstrebenswert. Der Hauptgrund der so einen Zustand verhindert und Bedarf an Restriktionen schafft, ist ein Mangel an Bildung und Verantwortung in der Gesellschaft. Am einfachsten ist das am Beispiel Drogen gezeigt: Eine aufgeklärte Gesellschaft würde auch verantwortungsvoll mit Drogen umgehen, es mag zwar noch immer zu vereinzelten Unfällen in Verbindung mit Drogenkonsum kommen, aber das verhindert auch kein Verbot, wie uns die Realität zeigt.

Kurz noch zur Entstehung oder besser gesagt Forderung nach Verboten, diese ist vermutlich mit einem gewissen persönlichen Rachegedanken verbunden. Denn es sollte wohl jedem bewusst sein, dass ein Verbot schlussendlich nur eine psychologische Blockade darstellt und daher das Verbotene nie vollständig verhindern kann, wodurch die absolute Verhinderung einer Tätigkeit als Begründung für ein Verbot ausgeschlossen werden kann. Die Tatsache, dass jene die gegen es verstoßen aber bestraft werden können, stellt sicher eine gewisses Gefühl der Genugtuung und vor allem der Sicherheit dar.

Nachdem das gesagt ist, nun zu einigen Beispielen, anhand denen demonstriert werden kann, dass Verbote nicht immer notwendig oder sinnvoll sind. In der deutschen Ortschaft Bohmte wird seit Mai 2008 auf sämtliche Verkehrsschilder, Ampel und sonstige Regelungen verzichtet und zwar im Rahmen eines "Shared Space" Projekts. Das Projekt hat nicht zu einem Anstieg der Unfälle geführt und wurde allgemein positiv beurteilt. Es ist auch unschwer nachzuvollziehen warum es nicht zu einer Verschlechterung des Zustands gekommen ist: Ohne die Verkehrsregeln und die damit einhergehenden Gebote und Verbote, kann sich auch niemand darauf berufen im Recht zu sein, wenn es zu einem Unfall kommt. Das führt dazu, dass Autofahrer allgemein vernünftiger fahren – selbstverständlich unter der Voraussetzung, dass sie sich weiterhin an grundlegende Regeln halten, auch wenn diese nicht mehr gegeben sind. Das Verkehrsbeispiel soll an dieser Stelle aber nur die Psychologie veranschaulichen und nicht als Argument gegen die Straßenverkehrsordnung verstanden werden.

In Österreich kann das Verbotsgesetz meiner Meinung nach hinterfragt werden, denn man kann davon ausgehen, dass neonazistisches Gedankengut in unserer Gesellschaft nicht mehrheitstauglich ist und daher auch nicht von einer Partei genutzt werden kann, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu betreiben. Darüber hinaus wird durch das Gesetz nicht verhindert, dass einige Ausnahmefälle sich dennoch des Nationalsozialismus bedienen. Das liegt unter anderem daran, dass das Verbot selbst, von diesen Personen, als Bestätigung ihrer Theorien gesehen wird. Das ist ein typisch fanatisches Vorgehen, mit dem so etwas gesagt wird wie: „Unsere Ideologie ist verboten, da man dem Volk schaden will“. Das Verbot wird also Teil der Begründung.

Die wahrscheinlich besten Beispiele für Verbote, die eine der erwarteten Wirkung entgegengesetze hervorrufen, sind die Alkohol- und die Cannabis-Prohibition. Während der Alkoholprohibition in Amerika ist der Konsum zwar gesunken (schlussendlich auf 50-70% des Niveaus vor der Prohibition), aber die Zahl der Verbrechen in Verbindung mit Alkohol ist stark gestiegen, vor allem Trunkenheit am Steuer. Der Konsum von Cannabis ist hingegen über den langen Zeitrum generell angetiegen. Einzig in Holland, wo er toleriert wird, konnte ein Zurückgehen des Konsums beobachtet werden. Die beiden Verbote haben neben diesen Entwicklungen außerdem dazu geführt, dass die entsprechenden Schwarzmärkte stärker denn je gewachsen sind oder überhaupt erst entstanden sind. Die illegale Herstellung erhöht darüber hinaus das Risiko gefährliche Substanzen in den Drogen zu finden oder das diese generell von minderwärtiger Qualität sind. Eine Aufhebung des Cannabis-Verbots würde also den Schwarmärkten ihre Existenzgrundlage nehmen und gleichzeitig die zum Scheitern verurteilte Drogenbekämpfung durch den Staat überflüssig machen. Eine Legalisierung sollte jedoch mit ausreichend Aufklärung einhergehen, welche leicht mit den erzielbaren Streueinnahmen finanziert werden könnte.

Abschließend noch ein Gedankenexperiment: Man stelle sich vor die US-Regierung hätte die Absicht eine radikale Änderung des Waffenrechts durchzuführen – wobei das wohl nur eine Regulierung sein kann. Abgesehen davon, dass dieses Vorhaben nicht durchsetzbar wäre, würde es ein riesiges Problem verursachen. Denn sämtliche Waffen die im Umlauf sind, sind es weiterhin und sie aus dem Verkehr zu ziehen wäre nahezu unmöglich. Folgende Entwicklungen wären bei einer starken Regulierung oder gar einem Verkaufsverbot also absehbar: Illegaler Waffenhandel wird ein größeres Problem denn je, da er aufgrund des fehlenden Angebots sehr profitabel ist. Des weiteren wird eine illegale Branche der Waffenherstellung entstehen. Personen greifen womöglich auf 3D-Drucker zurück um die Plastikteile für Waffen zu produzieren und Waffen der Marke Eigenbau würden generell ein erhöhtes Sicherheitsrisiko darstellen. Die Polizei hätte außerdem bei der Bekämpfung des Waffenhandels das Problem, dass sie mit absoluter Sicherheit mit sehr gefährlichen Situationen rechnen muss.

Deshalb kann auch hier wieder gesagt werden, dass ein Verbot der falsche Weg ist und stattdessen wieder Bildung und Aufklärung notwendig sind. Es muss sicher gestellt sein, dass Waffen nicht an Menschen mit Vorstrafen verkauft werden und auch psychologische Untersuchungen könnten angewendet werden. Um ein Auto in der Öffentlichkeit zu fahren ist ein Führerschein notwendig, was die meisten wohl für selbstverständlich halten, gleichfalls sollten Waffen nur mit ausreichendem Training in der Öffentlichkeit getragen werden dürfen. Eine Waffe in der Hand eines gut geschulten und informierten Waffenbesitzers kann durchaus zur öffentlichen Sicherheit beitragen, keinesfalls aber in den Händen von jemandem der nicht damit umgehen kann.

Unserer Gesellschaft ist eine wichtige Tatsache weitestgehend unbekannt – die Psychologie des Tötens. Noch im Zweiten Weltkrieg hat die große Mehrheit der Soldaten entweder gar nicht geschossen oder beim Schießen bewusst am Gegner vorbei geschossen. Dave Grossman führt diese Beobachtungen, in seinem sehr informativen Buch „On Killing“, auf den menschlichen Widerstand gegen das Töten zurück. Das in unserer Gesellschaft ein derart falsches Bild des Tötens besteht, liegt auch daran, dass Krieg in Medien und Filmen verzerrt dargestellt wird. Soldaten werden zu Helden welche ohne Hemmungen auf ihre Gegner schießen, die psychologischen Folgen dessen finden wenig Beachtung. Auch reale Kampfszenen vermitteln nicht die Emotionen welche mit dem Kampf verbunden sind und welche beim Töten auf die Soldaten wirken. Diese Aufklärung wäre für potentielle Waffenbesitzer, welche eine Waffe für ihre Selbstverteidigung kaufen möchten, absolut notwendig. Viele würden auf einen Kauf dann womöglich verzichten oder wüssten zumindest, was sie zu erwarten haben, wenn sie eines Tages Gebrauch von ihrer Waffe machen müssen.

Der einzelne kann für sich selbst entscheiden ob er sich an ein Verbot halten möchte oder ob er gewillt ist die Verantwortung zu übernehmen (und das Gesetz zu brechen), welche ihm durch die Nichteinhaltung zukommt. Zu diesem Zweck hilf zum Beispiel Immanuel Kant mit dem kategorischen Imperativ, welcher im Grunde sagt: Eine Handlung ist moralisch wenn man sich das ihr zugrunde liegende Prinzip verallgemeinert und als Gesetz niedergeschrieben vorstellen kann, ohne auf einen Widerspruch zu stoßen. Sprich, wenn jeder so wie man selbst handeln könnte, ohne dass jemandem geschadet wird. Noch einfacher macht es die Feststellung, wenn durch die Nichteinhaltung eines Gesetzes (Verbots) niemand Schaden nimmt, denn wie sinnvoll ist dieses Gesetz dann? Gerade beim Thema Drogen wird das tragend, denn da der Kauf und Konsum ohnehin nicht verhindert werden kann, wäre es an der Zeit den Menschen selbst die Verantwortung über diese Tätigkeiten zu überlassen. Anders ist es beispielsweise wieder bei der Fahrgeschwindigkeit im Straßenverkehr: Man kann sich schwer vorstellen, dass etwa bei einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 70km/h im Ortsgebiet, nicht mehr Personen Schaden nehmen würden.

Samstag, 17. Dezember 2016

Fortsetzung: Treibstoffe aus Biomasse

Im letzten Artikel habe ich grob dargestellt, um welche Größenordnungen es sich beim Bedarf an Treibstoffen aus Biomasse handelt, wenn man diese dazu nutzen möchte, einen Teil der fossilen Treibstoffe zu ersetzen. Die Herstellung großer Mengen pflanzlichen Treibstoffs ist möglich und auch notwendig, wenn wir einerseits auf fossile Brennstoffe verzichten möchten und andererseits nicht auf das teurer werdende Öl, welches sein Fördermaximum bereits erreicht hat, angewiesen sein wollen. Die Produktion der Biomasse muss jedoch möglichst effizient und wirtschaftlich erfolgen, um eine tatsächliche Alternative darzustellen. Wie das erreichbar ist, werde ich in diesem Text etwas ausführen.

Vorab, ideal wäre generell wenn wir in Zukunft auf den Verbrennungsmotor und seine Abgase verzichten könnten und stattdessen Elektromotoren in Verbindung mit Batterien oder Brennstoffzellen verwenden würden. Werden einmal Wege zur wirtschaftlichen und energieeffizienten Herstellung von Wasserstoff in großen Mengen gefunden, so würden Autos mit Brennstoffzellen nur noch Wasserdampf ausstoßen. Aber bevor sämtliche Autos ersetzt sind, wäre es am sinnvollsten den Bedarf an fossilen Treibstoffen für den Verkehr Schritt für Schritt zu reduzieren. Darüber hinaus wird der Bedarf an Dieselöl und Kerosin für den Transport über Land-, Wasser- und Luftwege weiter bestehen. Zwar könnten aus Kohle, durch Verflüssigung, große Mengen Treibstoff hergestellt werden jedoch ist die Substitution eines fossilen Brennstoffs mit einem anderen meiner Meinung nach nicht die Lösung die wir forcieren sollten.

Treibstoffe aus Biomasse bieten sich deshalb als Alternative an. Im letzten Artikel bin ich auf zwei Pflanzen besonders eingegangen - Hanf und Algen – hier sei deren mögliche Anwendung näher ausgeführt. Der Hanf stellt aufgrund seiner vorteilhaften Eigenschaften und vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten eine ideale Pflanze für die Landwirtschaft dar. Er hat relativ niedrige Ansprüche an den Boden, benötigt kaum Pestizide oder Herbizide im Anbau und verbessert die Bodenqualität, weshalb er zum bepflanzen von brach liegenden Äckern verwendet werden kann. Seine Fasern können nicht nur für die Produktion von Seilen, Schnüren oder Dichtungsmaterial verwendet werden, sondern finden ebenfalls Anwendung in der Papierindustrie oder der Herstellung von technischen Filtern (wo sie dank ihrer Reißfestigkeit einen großen Vorteil haben). Für die Papierindustrie hätte Hanf gar den Vorteil, dass sich mit ihm der zwei- bis vierfache Ertrag eines Waldes erzielen lässt, da er eine einjährige Pflanze ist, die sehr schnell und dicht wachsen kann. Die Hanfsamen können zur Herstellung von Speiseöl verwendet werden und die eiweißreichen Blüten als Tierfutter oder Lebensmittel.

Jedoch ist Biomasse für die Treibstoffgewinnung im Anbau mit hohen Kosten belastet (z.B. Kosten für Dünger, Treibstoff und Transport), das ist auch bei Hanf nicht anders, weshalb ein möglichst effizienter Produktionszyklus gefunden werden muss. Hanf nur zur Gewinnung von Biomasse anzubauen ist also die falsche Herangehensweise, er sollte ebenfalls verwendet werden, um die vorher genannten Produkte zu erzeugen. Denn wenn mit Hanf eine möglichst breite Produktpalette bedient wird, sinken natürlich auch die Kosten für Biomasse aus Hanf, welche dann auch als Abfall anfällt. Das Hanföl könnte zu einem Teil außerdem in Treibstoff umgewandelt werden und der Landwirtschaft selbst wieder zugeführt werden, um den Anbau im Optimalfall noch effizienter zu machen. Darüber hinaus können der Hanf-Biomasse noch Abfälle, beispielsweise aus der Forstwirtschaft oder der Getreideernte, beigemengt werden, sowie weitere Biomasse-Pflanzen, wie das Riesenchinaschilf. Mit Riesenchinaschilf kann in etwa der doppelte Ertrag an Trockenmasse (15-25 T/ha) wie mit Hanf (10-12 T/ha) erzielt werden. Es ist jedoch bei weitem nicht so vielseitig einsetzbar wie der Hanf, ist schwieriger im Anbau, hat einen höheren Bedarf an Pestiziden und Herbiziden und lässt sich nicht in den Fruchtwechsel fügen. Eine sinnvolle Mischung aus Abfällen und, nicht mit der Lebensmittelindustrie konkurrierenden, Biomasse-Pflanzen, stellt meiner Meinung nach also eine zukunftsreiche Lösung dar.

Die Biomasse kann dann im Pyrolyse-Verfahren zum Beispiel zu Methanol umgewandelt werden, wobei das bei einem Rohstoffverbrauch-zu-Ertrag Verhältnis von über 90% möglich ist. Die Umwandlung zu Treibstoff ist mit dem Anbau vergleichsweise billig. Das Methanol kann dann dem normalen Benzin beigemischt werden, wobei 15% Methanol im Benzin als ideale Menge identifiziert worden sind. Mit diesem Mischungsverhältnis treten auch in älteren Autos (vor 1990) keine Probleme auf und jene Autos die nach 1990 produziert wurden, sind bereits auf den Gebrauch von M15 angepasst. Obwohl Methanol nur in etwa den halben Energiegehalt von Benzin aufweist, konnte beim M15-Mischungsverhältnis eine leichte Effizienzsteigerung, sowie eine Reduzierung der Emissionsgase und der Feinstaubpartikel im Abgas, beobachtet werden.

Im letzten Artikel bin ich auch kurz auf Algen als mögliche Treibstoffquelle eingegangen, das sei auch hier wieder getan. Die Forschung rund um Algen als Treibstoff steht noch am Anfang – es gibt tausende verschiedener Algenarten – und die Technologie ist noch bei weitem nicht konkurrenzfähig mit Erdöl (weder preislich noch mengenmäßig). Das Potenzial der Algen spricht aber eindeutig für sie, denn es können tatsächlich 100% der Biomasse geerntet werden und, wenn die Technologie einmal ausgereift ist, ein Ertrag an Öl (45.000 - 135.000L/ha) erzielt werden, der jenen der Ölpalme noch bei weitem übersteigt. Einige Probleme im Anbau von Algen sind aber noch ungelöst, wie zum Beispiel der hohe Bedarf an Phosphor-Dünger, welcher schon in der Landwirtschaft benötigt wird. Auch bei den Algen ist demnach wieder eine möglichst vielseitige Verwendung der Pflanze notwendig um wirtschaftlich Öl produzieren zu können.

Die Algen enthalten zum Beispiel – wie auch der Hanf- hohe Eiweißmengen und können daher nach der Ölgewinnung noch als Futtermittel verwendet werden. Außerdem sind Algen bereits jetzt für die Aufnahme von 40% des Kohlendioxids verantwortlich und könnten zukünftig zur Reinigung von Industrieabgasen verwendet werden, wobei sie gleichzeitig Öl und Futter produzieren. In einem derartigen Produktionszyklus stünden die Chancen gut, wirtschaftlich Algenöl herstellen zu können. Darüber hinaus ist Algenöl leichtem Rohöl sehr ähnlich, was das Raffinieren erleichtern sollte. Wenn Algen in offenen Teichen angepflanzt werden, benötigen sie erstaunlicher Weise in etwa die selbe Menge Wasser wie sie für den Baumwollanbau notwendig ist. Es ist also nur eine Frage der Forschung und Entwicklung, sowie des Willens Lösungen für die Problem zu finden, bis eine wirtschaftliche Algenkultivierung im großen Stil möglich sein wird. Da davon ausgegangen werden kann, dass die Ölpreise, aufgrund der zurückgehenden konventionellen Förderung und der teuren unkonventionellen Förderung steigen oder mindestens höchst volatil bleiben werden, sollte dieses Ziel noch im nächsten Jahrzehnt erreichbar sein.

Quellen:
Biofuels from algae: challenges and potential
M15 Methanol Gasoline Blends
Jack Herer, Mathias Bröckers – Hanf
Daniele Ganser - Erdöl

Samstag, 10. Dezember 2016

Energieversorgung: Wie lässt sich die Erdölabhängigkeit reduzieren

Weitere Artikel sind auf der neuen Seite www.schriftensammlung.com verfügbar.

Strom, Wärme und Mobilität, niemals zuvor waren wir so sehr auf diese Energiefaktoren angewiesen wie in diesem Jahrtausend. Ein Ende des global steigenden Energiekonsums zeichnet sich nicht ab. 80% der globalen Energieversorgung werden durch die fossilen Brennstoffe Kohle, Erdöl, Erdgas und Uran gedeckt und der Bedarf an ihnen steigt weiter. Kohle, Uran und Erdgas sind noch in riesigen Mengen vorhanden und werden in den nächsten Jahrzehnten nicht verknappen, aber die Erdölfördermenge stagniert global, denn das Fördermaximum des Erdöls wurde 2006 erreicht. Am meisten auf das Erdöl angewiesen ist unser Mobilitätsbereich, aufgrund der starken Abhängigkeit von Erdölimporten und der Notwendigkeit des Öls für das Funktionieren unserer Wirtschaft, ist es daher unumgänglich nach Alternativen zu suchen, die das Erdöl als Treibstoff in großen Mengen ersetzen können.

Probleme des Erdöls
Bevor ich eine der vielversprechendsten Alternativen zum Erdöl erläutere, sei hier auf die Probleme, die mit dem Erdöl verbunden sind, eingegangen. Das Erdöl war und ist die treibende Kraft hinter dem außergewöhnlichen Wachstum, vor allem des letzten Jahrhunderts, es ist Rohstoff für eine Vielzahl an Produkten (Brennstoffe, Treibstoffe, sämtliche Kunststoffe oder -fasern etc.) und liefert die notwendige Energie, die es ermöglicht, dass Landwirtschaft und Industrie ihre Produktionsmengen steigern können. Es hat uns darüber hinaus einen unvorstellbaren Komfort geliefert, die Mehrheit besitzt heute ein oder gar mehrere Autos, denen in Österreich über 2.000 Tankstellen zur Verfügung stehen. Aber all das Wachstum und der Komfort haben auch einen Preis, den Preis der Abhängigkeit: Amerika, Europa und China, die drei größten Erdölkonsumenten, sind auch alle Nettoimporteure von Erdöl, das kann so lange gut gehen, so lange das Erdöl in ausreichenden Mengen vorhanden ist, sodass es niemand dem anderen „Weg nehmen“ muss.

Diese Zeit ist aber im Begriff zu Ende zu gehen, denn das konventionelle Erdöl hat sein Fördermaximum (peakoil) 2006 erreicht, überhaupt sind Kriege um das Öl eine historische Tatsache, der Nahe Osten weiß das nur allzu gut. Dazu etwas an Hintergrundwissen: Der Geologe Marion King Hubbert hat aufgezeigt, dass die Fördermenge eines Ölfeldes, eines Landes und der ganzen Welt immer einer Glockenkurve ähnelt. Sprich, auf eine Steigerung der Erdölförderung folgt ein Höhepunkt (peak) und schließlich eine Abklingphase. Nicht das vollkommene Ende der Erdölförderung ist das ausschlaggebende Datum, sondern das Erreichen dieses Höhepunkts, denn sobald dieser bei der globalen Ölförderung erreicht wird, beginnt das Erdöl zu verknappen und die Preise werden stark volatil. Dieser Höhepunkt wurde, wie bereits erwähnt, beim konventionellen Erdöl schon erreicht, nun gibt es aber auch noch das unkonventionelle Erdöl - zu dem Tiefseeöl, Polaröl, Teersand, Schweröl oder Tight Oil zählen – welches sein Fördermaximum noch nicht erreicht hat.

Das Problem dieser unkonventionellen Erdölvorkommen ist jedoch deren Förderung, diese ist um vieles teurer und ineffizienter als beim konventionellen Erdöl, welches nach dem Anbohren der Ölfelder, von selbst aus den Rohren strömt. Konventionelles Erdöl kann mit einem sehr guten Verhältnis von Energieaufwand zu Energieertrag von 1:100 gefördert werden, das heißt, dass ein Fass Erdöl erforderlich ist um 100 Fass Erdöl zu gewinnen. Bei den unkonventionellen Erdölvorkommen, verschlechtert sich dieses Verhältnis in der Förderung stark, der Ölschiefer-Abbau weist das schlechteste Verhältnis auf, 1:5 oder gar nur noch 1:2. Darüber hinaus ist der Preis dieser Fördermethoden hoch: Der Abbau von Ölsand lohnt sich erst bei Ölpreisen von über 70 Dollar pro Fass und auch die Kosten für Fracking belaufen sich auf rund 40 Dollar pro Fass Öl. Außerdem werden die unkonventionellen Vorkommen unseren globalen Bedarf an Erdöl ebenfalls nicht langfristig sichern können, sondern nur ein zweites Fördermaximum auf der Zeitachse markieren - die mit der Gewinnung dieser Vorkommen einhergehenden Umweltprobleme sind hier noch gar nicht erwähnt.

Es steht also fest, wir müssen in den kommenden Jahrzehnten unseren Bedarf an dem fossilen Brennstoff Schritt für Schritt reduzieren und mit anderen Energieträgern decken. Das ist zur Notwendigkeit geworden, aber warum uns in der Wirtschaftsform, die für das Hervorbringen von Alternativen bekannt ist, nicht schon seit längerer Zeit Alternativen zum Treibstoff Erdöl zur Verfügung stehen, sollte dabei nicht übersehen werden. Wie alle Unternehmen, machen auch die Erdölunternehmen mehr Gewinn, wenn sie mehrere ihrer Produkte verkaufen oder der Preis pro Einheit steigt, es liegt also in ihrer Natur, dass sie möglichst viel Öl verkaufen möchten, was jedoch mit den Gedanken der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes schwer vereinbar ist. Das diese Konzerne auch zu den politisch und medial einflussreichsten gehören, lässt sich schon an ihren Gewinnen in zweistelliger Milliardenhöhe ablesen, denn die Verbindung von Kapital und Politik hat schon Edward Bernays 1928 angemerkt: „Wirtschaftliche Macht hat die Tendenz, politische Macht nach sich zu ziehen.“ Wir müssen also in einer Demokratie als Bevölkerung aktiv Alternativen einfordern, damit diese auch mehr Bedeutung gewinnen und von der Politik eine angemessene Priorität zugestanden bekommen.

Wie kann das Erdöl ersetzt werden?
Während Elektroautos wohl die beste Lösung für unsere persönliche Motilität darstellen - vor allem in Verbindung mit Brennstoffzellen, denn dann könnte auf Batterien verzichtet werden - sollte dennoch auch eine Übergangslösung, welche die Erdöltreibstoffe an sich ersetzen kann, entwickelt werden. Als solche Lösung bekannt ist vor allem der Biotreibstoff Ethanol aus Zuckerrohr oder Mais, doch für diese Agrarprodukte werden große Ackerflächen benötigt und der Ertrag der Ernte steht der Lebensmittelindustrie nicht mehr zur Verfügung. Vielversprechender ist daher eine der ältesten, wenn nicht die älteste Nutzpflanze der Welt: Der Hanf. Hanf vereint eine Vielzahl vorteilhafter Eigenschaften. Das grüne Gewächs kommt weitestgehend ohne dem Einsatz von Pestiziden aus, da es Unkraut erstickt, beim Dünger kann auch gespart werden und es lockert den Boden dank seiner tiefen Wurzeln (bis zu 2 Meter tief) auf und reichert die oberen Schichten so wieder mit Nährstoffen an. Darüber hinaus wächst Hanf fast überall auf der Welt, abgesehen von Wüste, Tropen und Polargebieten. Das wichtigste an der Pflanze ist aber, dass sie Europa dabei helfen könnte, von Erdölimporten aus Krisengebieten unabhängiger zu werden, denn sie liefert hervorragende natürliche Fasern, Biomasse und Öl.

Aber, fast nirgends wird Hanf angebaut, wieso ist der Nutzhanf also von unseren Feldern und aus unserem Produktionszyklen verschwunden? Einerseits haben Anfang des 20. Jahrhunderts billige Faserimporte von Jute und Sisal aus den Kolonien Europas und die billigere Verarbeitung von Baumwolle, dank Baumwollmaschine, den Hanf nicht mehr konkurrenzfähig gemacht. Andererseits war der Hanf bei den Großunternehmern des frühen 20. Jahrhunderts (z.B. DuPont) nicht beliebt und so haben sich diese beispielsweise in Amerika dafür eingesetzt, dass der Marihuana Tax Act in Kraft tritt, welcher derart hohe Steuern auf den Rohstoff erlässt, dass er nicht wirtschaftlich verwendet werden kann. Das Gesetzt wurde begleiteten von massiver Propaganda und Desinformation in den Medien, welche den Hanf einzig als gefährliche Droge, auf dem Niveau von Heroin, darstellten und seine vorteilhaften Eigenschaften völlig ignorierten. Was aber hat den Hanf unter den Chemie- und Erdölunternehmen unbeliebt gemacht: Gründe dafür sind unter anderem, dass sich seine Fasergewinnung nicht patentieren lässt und auch sein Anbau kaum monopolisiert werden kann, im Unterschied zur Erdölförderung, die sich in den Händen einiger weniger Firmen befindet, welche über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen und diesen Rohstoff verteilen. Es widerstrebt also den Interessen der großen Chemieunternehmen und auch denen der Pharmaunternehmen, wenn Hanf als Faser, Medizin oder Treibstoff verwendet wird.

Abgesehen davon, dass er, aufgrund seines 70-prozentigen Zelluloseanteils im Stängel, ideal für die Papierindustrie wäre, lässt sich aus Hanf-Biomasse Methanol herstellen – für die Ethanolproduktion ist er aufgrund seines niedrigen Zuckergehalts dagegen nicht geeignet. Methanol kann aber wie auch Ethanol dem Benzin beigemischt werden, wodurch der Bedarf an Erdöl für den Verkehr reduziert werden könnte. Dank der bereits erwähnten Vorteile von Hanf, wäre dieser besonders gut zum Bepflanzen von Brachland geeignet, er würde den Boden aufwerten und gleichzeitig Rohstoff liefern, eine Win-Win-Situation. In warmen Regionen kann übrigens sogar zwei Mal jährlich Hanf geerntet werden, da er so schnell wächst (die Vegetationszeit von Hanf beträgt lediglich 100 Tage). Eine Statistik, noch aus Zeiten der EG, gibt für den europäischen Raum 30 Mio. Hektar Brachland an, wobei aus einem Hektar Hanf bis zu 9.500 Liter Methanol gewonnen werden können. Auf einem fünftel der Fläche (6 Mio. Hektar) ließen sich somit zumindest 156 Mio. Liter Methanol pro Tag erzeugen, wobei das fast einem Drittel des europäischen Benzinverbrauchs (483,6 Mio. L/Tag) entspricht (vom Methanol wird aber mehr benötigt, um die selbe Energie zu erzielen). Zu berücksichtigen bleibt jedoch das Methanol in normalen Motoren kein Ersatz für Benzin ist, jedoch mit diesem gemischt werden kann - 15% Methanolanteil ist eine optimale Mischung. In Brasilien ist deshalb die Flex Fuel-Technologie weit verbreitet, welche es Autobesitzern ermöglicht problemlos mit Benzin, Ethanol oder Methanol zu fahren. Ein großer Vorteil des Anbaus von Hanf wäre hier außerdem, dass dadurch auf Mais für die Treibstoffherstellung verzichtet werden könnte.

Aus den Hanfsamen kann Öl gewonnen werden, je nach Hanfsorte bis zu 890L pro Hektar und Jahr, wobei mit Raps rund die doppelte Menge erzielt werden kann. Trotzdem würde das wiederum auf 6 Mio. Hektar Anbaufläche einem Ertrag von 14,6 Mio. Litern Öl pro Tag entsprechen. Die Ölproduktion für Bio-Diesel lässt sich wahrscheinlich aber mit einer gänzlich anderen Pflanze am besten lösen, nämlich mit Algen. Diese liefern, abhängig von der verwendeten Art, über 60% Öl in ihrer Trockenmasse. Die Schätzungen des erzielbaren Ertrags von Öl aus Algen reichen von 45.000 bis 135.000 Litern pro Hektar und Jahr. Auf einer Fläche von beispielsweise 1 Mio. Hektar sollten damit also mindestens 123 Mio. Liter Öl am Tag produziert werden können. Das Algenöl steht mit Forschung und Entwicklung jedoch noch am Anfang, es gibt zwar bereits Anlagen, die es produzieren, aber die Kosten sind je nach verwendetem Verfahren sehr unterschiedlich und teilweise hoch. Ein Nachteil der Produktion von Algenöl ist, dass diese vom Klima und der Jahreszeit abhängig ist, der hohe erwartbare Ertrag sollte jedoch Anlass für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Verfahren auf wirtschaftlicher und politischer Ebene sein.

Als Fazit kann eines gesagt werden: Die globale Erdölförderung wird, dank der unkonventionellen Fördermethoden, konstant gehalten oder gar gesteigert werden können, ehe sie aber endgültig beginnt einzubrechen. In Anbetracht des Steigenden Bedarfs an Erdöl, vor allem in den werdenden Industrieländern, sind Interessenskonflikte bei der Verteilung des Öl unausweichlich, wenn wir es nicht schaffen den Stellenwert des Erdöls in unserer Energieversorgung, hierzulande besonders im Mobilitätsbereich, zu senken.

Quellen:
M15 Methanol Gasoline Blends
Jack Herer, Mathias Bröckers – Hanf
Daniele Ganser - Erdöl

Dienstag, 6. Dezember 2016

Nicht vergessen: Das Staatsschutzgesetzes ist in Kraft, auch wenn davon nichts mehr zu hören ist

Das Staatsschutzgesetzes (PStSG) ist ein hervorragendes Beispiel, das demonstriert welche Macht den Medien heutzutage zukommt: Sie haben wenig vom Staatsschutzgesetz berichtet und wenige Fakten dazu geliefert, seit es am 01.07.2016 in Kraft getreten ist, ist es völlig aus den Medien verschwunden. Ein Überwachungsgesetz wurde unauffällig und ohne großen Widerstand, mit fast kompletter Zustimmung seitens der Regierungsparteien im Nationalrat, hinter dem Rücken der abgelenkten Bevölkerung eingeführt.

Am 23 Jänner 2016, kurz vor Beschluss des Gesetzes im Nationalrat, hat der AKVorrat eine Demonstration vor dem BVT veranstaltet – rund 150 Personen sind gekommen, man sieht der Widerstand ist gering, wenn von der Bevölkerung nicht klar ersichtlich ist welche Probleme durch ein Gesetz entstehen und wie sie persönlich betroffen sind. Trotz 18 Stellungnahmen von Richtervereinigung, Arbeiterkammer oder Wirtschaftskammer usw. erachtete man es nicht als notwendig auf die Kritik einzugehen und das Gesetz umfangreich zu ändern, ohne eine Unterstützung aus der Bevölkerung ist die Kritik schwach und kann ignoriert werden, denn es merkt kaum wer, schon allein wegen der fehlenden Berichterstattung. Es ist geradezu ironisch, dass die Medien diesem Gesetz wenig Aufmerksamkeit gewidmet haben, denn gerade Journalisten werden unter dem Staatsschutzgesetz mitunter schnell zu Verdächtigen, sollten diese im Rahmen von Ermittlungstätigkeiten Kontakte zu Islamisten oder anderen radikalen Personen pflegen. Obschon, die betroffenen Journalisten haben zu dem Gesetz sehr Wohl Stellung genommen, in kritischen Tönen. Die einigen positiven Stellungnahmen zu dem Gesetz stammen bezeichnender Weise aus anderen Ministerien oder Landesregierungen.

Ein weiterer Indikator an dem sich eine geringe mediale Aufarbeitung des Gesetzes festmachen lässt, ist eine Online-Petition des AKVorrat, diese wurde von ganzen 30.078 unterzeichnet. Das zeigt eine ziemliche Gleichgültigkeit gegenüber dem Gesetz, das unter Umständen einmal jeden von uns betreffen könnte. Doch wer ist dieser AKVorrat eigentlich? Der Arbeitskreis Vorratsdaten Österreich, ist, wie sein Name erahnen lässt, aus dem Widerstand gegen die Vorratsdatenspeicherung (die mittlerweile durch den Europäischen Gerichtshof aufgehoben wurde) entstanden und hat das Ziel einen zeitgemäßen Datenschutz umzusetzen.

An dem kaum vorhandenen Widerstand gegen das PstSG lässt sich noch eine Vermutung ablesen: Vor dem Gesamtbild der angespannten Situation Ende 2015 – Flüchtlingskrise und Terroranschläge in Frankreich – haben sich umso weniger Menschen überzeugen lassen, ein als anti-terror Maßnahme verkauftes Gesetz, zu kritisieren. Ein weiteres interessantes Detail betrifft den Gesetzgebungsprozess selbst, welcher mehr als undurchsichtig gestaltet war, laut dem AKVorrat waren die Konsultationen im Vorfeld nicht öffentlich. Es war also nicht gewünscht, dass Informationen zum Gesetz zur Bevölkerung vordringen.

Was ist aber die konkrete Kritik an dem Gesetz?, ich werde hier einige Punkte aufzählen. Laut Richtervereinigung verlangt der Gesetzesentwurf selbst Strafrechtsexperten „ein hohes Maß an Mühe und Fleiß ab, den Bedeutungsgehalt des 'verfassungsgefährdenden Angriffs' nach dieser Definition (jener des Staatsschutzgesetzes) zu erschließen“. Ein verfassungsgefährdender Angriff ist eine jene Straftat, um die es zu verhindern, das Staatsschutzgesetz eine Überwachung erlaubt. Die Richtervereinigung verweist deshalb in ihrer Stellungnahme auf ein treffendes Zitat des Verfassungsgerichtshofes: „[...] dass der Gesetzgeber der breiten Öffentlichkeit den Inhalt seines Gesetzesbeschlusses in klarer und erschöpfender Weise zur Kenntnis bringen muss, da anderenfalls der Normunterworfene nicht die Möglichkeit hat, sich der Norm gemäß zu verhalten. Diesem Erfordernis entspricht weder eine Vorschrift, zu deren Sinnermittlung qualifizierte juristische Befähigung und Erfahrung sowie geradezu archivarischer Fleiß vonnöten ist, noch eine solche zu deren Verständnis subtile verfassungsrechtliche Kenntnisse, außerordentliche methodische Fähigkeiten und eine gewisse Lust zum Lösen von Denksport-Aufgaben erforderlich ist.“ Die schwammigen Formulierungen lassen obendrein Spielraum für Missbrauch offen. Laut Richtervereinigung ist der Gesetzgeber außerdem eine Rechtfertigung, für die starke Ausweitung der Eingriffsmöglichkeiten des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) auf „viel zu viele“ Delikte, schuldig. Auch die umstrittenen V-Leute die vom BVT durch das Gesetz eingesetzt werden können, sind zurecht umstritten, sie kommen meist aus dem kriminellen Umfeld, gegen das sie eingesetzt werden sollen – es fehlen die Zuverlässigkeitsvoraussetzungen. Außerdem besteht das Risiko einer Tatprovokation durch einen V-Mann, was zum Problem wird wenn der Beschuldigte diese begründen kann, denn dann trifft den Staatsanwalt die Beweislast. Dieses Problem wurde laut Richtervereinigung nicht vom Gesetzgeber berücksichtigt.

Zu einem weiteren Kritikpunkt zählt die Tatsache, dass das BVT durch das Staatsschutzgesetz im Grunde zu einem Geheimdienst wird und mit Nachrichtendienstbefugnissen ausgestattet wird. Das BVT hat Einsicht in die Daten von Behörden oder Firmen und wird dabei nur vom sogenannten Dreier Senat, bestehend aus Rechtsschutzbeauftragtem und Stellvertretern, kontrollier, unterliegt jedoch keiner richterlichen Kontrolle. Darüber hinaus kann das BVT die Akteneinsicht des Rechtsschutzbeauftragten einschränken, wenn das Bekanntwerden der Informationen, aus den Akten die „nationale Sicherheit oder die Sicherheit von Menschen gefährden würde“. Die Richtervereinigung merkt dazu folgendes an: „Unterstellt man dem Rechtsschutzbeauftragten nicht, dass er möglicherweise unter Begehung eines Amtsmissbrauchs streng geheime Informationen unbefugt weitergibt, kann man nur annehmen, dass die Gefährdung der nationalen Sicherheit oder von Menschen daraus resultiert, dass der RSB eine gewünschte Ermächtigung nicht erteilt, wenn er unbeschränkte Akteneinsicht hat.“ Eine nicht gerade beruhigende Erkenntnis.

Schließlich werden die Überwachungsdaten natürlich auch gespeichert und genau hier verursacht das Gesetz eine besonders grobe Diskrepanz, die Daten werden nämlich vom BVT für sechs Jahre gespeichert, aber wer darauf zugreift wird nur drei Jahre lang gespeichert. Außerdem dürfen die Überwachungsdaten an ausländische Geheimdienste weiter gegeben werden, der AKVorrat kritisiert, dass damit jeder Datenschutz hinfällig ist.

Abschließend ist noch zu sagen, dass mit dem Staatsschutzgesetz fortan auch „ideologisch motivierte“ Straftaten als verfassungsgefährdender Angriff angesehen werden können. „Ideologisch motiviert“ ist gerade in einer Zeit, in der die Bevölkerungen der Länder Europas mehr und mehr Unzufriedenheit zeigen - die Bilder der Demonstrationen aus Griechenland, Frankreich oder Groß-Britannien sind bekannt – eine gefährliche Formulierung. Sollte es auch bei uns zu derartigen Demos kommen, stellt sich die Frage, ob sich ein schwammig formuliertes Gesetz wie dieses, nicht schnell auf Aktivisten anwenden ließe. Laut AKVorrat umfasst der Strafkatalog, nämlich nicht nur demokratie- oder staatsfeindliche Handlungen.

Weitere Artikel:
Profil - Staatsschutzgesetz: Die Konsequenzen der neuen Überwachung

Mittwoch, 30. November 2016

Falsche Vorstellungen: Was können wir uns von der Politik erwarten?

An alle die noch darauf setzen eine Partei könnte mit ihrem Programm die großen Probleme im Land und auch der EU lösen oder dazu beitragen: Dem ist leider nicht so, sie haben einen sehr begrenzten Spielraum. Aber Medien und Politik lassen die Bevölkerung natürlich gerne im Glauben, es wäre der Fall, denn solange die Bevölkerung an diese Offenbarung glaubt und die Verantwortung in die Hände der Volksvertreter legt, wird sie von selbst keine großartigen Veränderungen einfordern und die Machtverhältnisse bleiben unverändert – und zu Ungunsten der Bevölkerung.

Einzig was der Politik einen Strich durch die Rechnung machen könnte, ist das durchaus wahrscheinliche Szenario, dass eine steigende Zahl der Bevölkerung ihr persönliches Umfeld oder Eigentum bedroht sieht. Wenn das passiert hören Menschen auf einmal auf Träge zu sein - politische Lethargie zu zeigen - und werden aktiv, was nicht nur Potenzial sondern auch Gefahren birgt. Wer sich politisch bis zum Tag X, an dem er merkt Politik betrifft sehr wohl auch ihn selbst, nicht beteiligt, dem fehlt das Wissen und das Verständnis, um jetzt auf einmal sinnvolle Schlussfolgerungen zu ziehen, er ist deshalb empfänglich für Populismus und Parteien die das "blaue vom Himmel" versprechen. Doch diese propagierte schnelle Lösung, wie sie im Wahlkampf so mancher Partei versprochen, wird gibt es nicht, es hat sie noch nie gegeben.

Darüber hinaus wird es meist sehr ungemütlich, wenn die Grenze des Persönlichen überschritten wird, in Europa haben wir das beispielsweise in Griechenland oder Zypern gesehen. Die Bevölkerung hat dort nicht freiwillig ihren Anspruch auf ihr Eigentum – Ersparnisse und Zugriff auf diese – aufgegeben, das war und ist mit absolut undemokratischen und totalitären Maßnahmen verbunden (wer mehr darüber wissen will, dem sei das Buch „Weltmacht IWF“ von Ernst Wolff nahegelegt). Maßnahmen, wie sie in Südeuropa getroffen wurden, werden unter Zwang von den Regierungen durchgesetzt und als alternativlos verkauft, ein Detail ist dabei jedoch wichtig: Nicht die Verursacher werden zur Verantwortung gezogen. Die Lehre die daraus also gezogen werden kann ist folgende: Wenn die Bevölkerung den Herrschenden freie Hand lässt, schrecken diese auch nicht davor zurück, ihre eigenen Fehler der Bevölkerung aufzutischen. Doch zum jetzigen Zeitpunkt glaub noch keiner, dass Zustände wie im „faulen Süden“ auch hier Realität werden könnten, aber warum nicht?, hat sich seit der Finanzkrise irgend etwas gebessert? und was soll sich in Anbetracht von TTIP und Russland-Sanktionen bessern können? Was ist aus dem angepeilten Nulldefizit geworden, nachdem Frau Fekter die politische Bühne verlassen hat? Der Zins lässt unsere Schulden weiter und weiter anwachsen und der große wirtschaftliche Aufschwung ist nicht in Sicht, ohne diesen wird es aber schwer Schulden abzubauen - eines ist jedenfalls sicher, die Mathematik der Exponentialfunktion wird Recht behalten.

Während die Bevölkerung also mit Themen wie dem Präsidentschaftswahlkampf, dessen Sieger wohl kaum eine fundamentale Kursänderung zu bewirken vermag (ebenso wenig wie der nächste Kanzler), beschäftigt wird und sich gegenseitig in die Haare gerät - sprich mit sich selbst beschäftigt ist - wobei die Medien wohl die wichtigste Rolle spielen und von jeder noch so unbedeutenden Kleinigkeit berichten, bleiben die wahren Probleme unangetastet. Dieses Verhalten unseres politischen und gesellschaftlichen Systems ist jedoch bei weitem kein Zufall, es steckt zu großen Teilen System und Absicht dahinter. Die Interessen einiger weniger Milliardäre, Großkonzerne und Banken dominieren die Wirtschaft (des Westens), denn unsere westlichen Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme ermöglichen diesen Akteuren und ihren Interessen unproportional viel Macht gegenüber der Bevölkerung. Staaten sind aufgrund der Verflechtungen der internationalen Finanzwirtschaft gar erpressbar und werden Handlungsunfähig, wenn ihnen die Geldgeber den Zugang zu Kapital verwehren, auch hier kann als Beispiel wieder Griechenland herangezogen werden, die Troika - bestehend aus EU-Kommission, EZB und IWF - hat mit Demokratie nichts zu tun, bestimmt aber dennoch die Politik in Griechenland mit (Kredite sind an harsche Bedingungen geknüpft z.B. Privatisierungen).

Von all dem soll die Bevölkerung aber nichts mitbekommen, befürworten würde sie es schließlich nicht, also hat man Wege gefunden die Medien für gezielte Desinformation zu nutzen. Verwirrung ist das Stichwort, Propaganda ist heutzutage viel perfider als noch zu Zeiten Hitlers und ihr stehen weit mehrere Kanäle als das Radio zur Verfügung, die Psychologie hat sich weiter entwickelt: Unsere Medien erklären nicht die Zusammenhänge und das große Gesamte, sondern berichten von einer Unzahl an Ereignissen, aus denen niemand vermag auf die Ursache zu schließen. Das ganze wird noch verfeinert mit einer großen Portion Doppelstandards – die Mudschaheddin galten beispielsweise als Freiheitskämpfer so lange sie gegen das pro-sowjetische Regime in Afghanistan kämpften, wurden aber zu Terroristen als sie sich gegen den Westen wandten - und voilà, die Verwirrung im dichten Nebel ist perfekt. (Genauere Erklärung der psychologischen Hintergründe von Dr. Rainer Mausfeld in "Warum schweigen die Lämmer")

Das System muss sich grundlegend ändern, nicht nur kosmetisch und oberflächlich, doch dafür müssen erst die zugrunde liegenden Mechanismen identifiziert werden welche positive Veränderung verhindern, doch wo sind diese zu verorten? Da wäre zum ersten die repräsentative Demokratie in ihrer derzeitigen Form an sich, diese baut eine Pufferschicht zwischen Regierung und Volk auf, welche per Definition ja eigentlich regieren sollte. Auch wenn eine direkte Demokratie allein nicht funktionieren wird, so sollte sie dennoch mehr Bedeutung gewinnen. Vor allem aber muss für eine viel bessere Aufklärung im Land gesorgt werden, was in der Tat von der Regierung geschafft werden kann wenn sie denn will: offenes Weltbild, kritisches Denken, Medien, Bildung Als nächstes Problem ist die Energieversorgung (Strom, Wärme, Mobilität) zu identifizieren, diese baut maßgeblich auf fossile Brennstoffe auf, welche nach einer Ära des Wachstums nun aber zu Verknappen beginnen (das konventionelle Erdöl hat seinen Förderpeak 2006 erreicht, wobei seine Fördermengen einer Glockenkurve folgen), das führt einerseits zu teurer Energie und andererseits zu Interessenskonflikten und Kriegen um diese endlichen Rohstoffe – der militärisch stärkste kann sie sich sichern. In Österreich kann die Stromversorgung zwar zu einem Großteil durch Wasserkraft gedeckt werden, aber besonders im Bereich der Mobilität muss man sich mehr Gedanken zu alternativen Treibstoffen machen, die sicherstellen können, dass wir nicht mehr auf Importe aus dem Nahen Osten angewiesen sind. Der dritte und bei weitem wichtigste Mechanismus den ich erwähnen möchte ist das Geldsystem: Das Schuldgeld, dessen Schöpfung und Verteilung sich im Monopol privater Banken befindet (auch die FED ist übrigens eine private Notenbank), verursacht eine immer größere Kluft zwischen Geld- und Wertschöpfung und ist daher nicht nachhaltig. Darüber hinaus ermöglicht dieses Geld jenen die am meisten davon haben unverhältnismäßig viel Einfluss auf die Politik und Medien. (ein Einblick in das Geldsystem ist hier zu finden)

Welche wahren Alternativen gibt es nun aber? Zu allererst müssen wir alle unsere ideologischen Scheuklappen ablegen und aufhören darauf zu insistieren, dass eine Partei oder Wirtschaftsordnung Recht hat und die anderen im Irrtum liegen, eine sinnvolle Lösung lässt sich nur aus der Vereinigung aller guten Ideen finden. Darüber hinaus muss unser Geldsystem demokratisiert werden, das Vollgeld, auf welches ich in Zukunft noch näher eingehen werde, bietet eine Lösung hierfür, aber das bestehende Geldsystem wird sich nicht bis in die Unendlichkeit fortführen lassen, jedenfalls nicht zum Profit der Allgemeinheit, das sagt uns schon die Mathematik. Schließlich müssen wir uns auch von den fossilen Rohstoffen verabschieden und Alternativen finden, Nutzhanf ist jene Alternative die am vielversprechendsten ist: Er wächst unter den schlechtesten Bedingungen, benötigt keinen Dünger, keine Pestizide, liefert den notwendigen Ertrag (aus einem Hektar Hanf lassen sich rund 9.500 Liter Methanol gewinnen) und lässt sich nicht unter das Monopol mächtiger Konzerne bringen – jedoch verbieten, wie es in den 30er Jahren in den USA und Deutschland geschehen ist.

Die großen Probleme unserer Zeit kann meiner Meinung nach nur die Bevölkerung selbst lösen, wenn sie ihr demokratisches Recht wahrnimmt und sich für die Themen interessiert, ansonsten werden private Interessen die Oberhand behalten. Dieser Prozess muss auf der untersten Ebene anfangen, sprich direkte Demokratie muss verstärkt auf Gemeindeebene zum Einsatz kommen, wo noch über Probleme entschieden wird zu denen sich jeder eine Meinung bilden kann und ein Konsens leichter gefunden werden kann. Studien aus der Schweiz zeigen beispielsweise, dass jene Kantone, in denen die Bevölkerung mehr Einfluss auf die Gemeindefinanzen hat, einen besseren Haushalt aufweisen. Zum Thema Alternativwährungen (wie dem Vollgeld) ist abschließend noch zu sagen, dass diese parallel zur derzeitigen Währung existieren können und diese nicht ersetzen müssen, es spricht also nichts gegen Versuche die positiven und negativen Seiten dieser herauszufinden. Einige Beispiele für derartige Währungen sind: Talent (Schweiz), Waldviertler (NÖ), OSBEEE.

Donnerstag, 17. November 2016

Probleme des Geldsystems: Inflation und Geldwert

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Inflation – es gibt nicht viele Begriffe die so oft wie dieser in den Wirtschaftsteilen unserer Zeitschriften fallen. Die meisten von uns haben auch eine grobe Vorstellung davon was er bedeutet, das Geld verliert an Wert, doch was hat es darüber hinaus mit diesem Wort auf sich und wo liegt seine Ursache?

Klären wir die Frage der Ursache gleich zuallererst. Unser Geldsystem basiert darauf, dass für Kredit eine Gegenleistung gefordert wird - der Zins - welcher sozusagen einen Anteil an der Wertschöpfung, die mit dem Kreditgeld erzielt wurde, darstellt. Zum einen ist aber, wie bereits in meinem letzten Artikel erwähnt, die Geldschöpfung größer als die Wertschöpfung, was daran liegt, dass der Großteil Kredite dem Konsum, der Schuldentilgung und der Finanzwirtschaft zur Verfügung steht – allesamt keine wertschöpfenden Prozesse, wobei nicht all diese Kredite auch als Zahlungsmittel in Umlauf kommen. Darüber hinaus eilt die Geldschöpfung immer der Wertschöpfung voraus, denn der Kredit entsteht vor der Ware, was einen zusätzlichen Grund für Inflation darstellen kann.

All dies führt schlussendlich dazu, dass die Güter- und Warenmenge langsamer wächst als die in Umlauf befindliche Geldmenge, worin der Grund der Inflation liegt. Wirtschaftlich lässt sich dieser Vorgang mit einer erhöhten Nachfrage, aufgrund der gestiegenen Geldmenge und daraus resultierenden erhöhten Preisen, in Worte fassen. Aber auch mathematisch ist er einfach beschrieben: Stellen wir uns ein geschlossenes System mit einer fixen Anzahl Waren und einer bestimmten Geldmenge vor, wobei ein Brot zur Ausgangssituation genau 1 Euro kostet. Wird nun Geld geschöpft und die Geldmenge steigt im Verhältnis zur Warenmenge, so steht für dieselbe Menge Waren auf einmal mehr Geld zur Verfügung, sprich ein Brot kostet nun beispielsweise 1,1 Euro.

Aus der Kluft zwischen dem sich im Umlauf befindenden Geld und der gesamten Geldmenge (eine Übersicht über die verschiedenen Geldmengen ist hier zu finden) erwächst heutzutage außerdem noch dazu das Risiko einer Hyperinflation: Sämtliches Geld, dass sich nicht im Umlauf befindet, könnte theoretisch auch gedruckt werden und eine Hyperinflation herbeiführen, was in Anbetracht der Wirtschaftslage neben Zinssenkungen, welche zu Negativzinsen führen würden und damit eines Bargeldverbots bedürfen, noch eine Option der EZB ist.

Die Inflation wird bekanntlich in Prozent angegeben, werfen wir einen genaueren Blick darauf, was es mit diesen Wachstumsraten auf sich hat. Die Berechnung der Inflation, welche von sehr vielen Faktoren abhängt und sich höchst unübersichtlich gestaltet und daher leicht verfälschbar ist, lassen wir hier einmal außer Acht. Wann immer man auf diese Wachstumsraten und Prozentsätzestößt, hilft eine vereinfachte Formel um ein Gefühl für den beschriebenen, exponentiellen Anstieg zu erhalten: Die Verdoppelungszeit entspricht der Zahl 70 dividiert durch den Prozentsatz des Wachstums (T=70/p; Rudolf Taschner leitet diese Formel anschaulich in einem Vortrag her). Dieses exponentielle Wachstum kommt aber in der Natur nur in Ausnahmefällen vor und entzieht sich daher unserer Wahrnehmung, wir sind nicht vertraut damit und es fällt uns daher schwer, uns die Zukunft von Prozessen mit derartigem Wachstum vorzustellen. Ein sieben-prozentiges Wachstum bewirkt bereits nach 10 Jahren eine Verdoppelung, wer aber hätte diese Zahl im Kopf, wenn er auf eine Schlagzeile stößt, die eine Verdoppelung der Kriminalitätsfälle in 10 Jahren berichtet? Albert Bartlett erklärt die Tücken der Exponentialfunktion in einem höchst informativen Vortrag.

Die Geldentwertung, sinkende Kaufkraft, birgt dadurch, eine der Nachhaltigkeit widerstrebende, Mechanik in sich. Bei der Gegenüberstellung einer kurzfristigen und einer langfristigen realwirtschaftliechn Investition, mit jeweils dem selben erwarteten Gewinn (beispielsweise 10.000€), ist aufgrund des sinkenden Geldwerts die langfristige Investition benachteiligt. Eine Investition sei hier als der Einsatz von Kapitel, eines Wirtschaftstreibenden, in Produktionsmittel seines Unternehmens, betrachtet. Unser Geldsystem bevorzugt daher den schnellen Profit und die schnellsten Profite lassen sich am einfachsten in der Finanzwirtschaft erzielen.

Montag, 7. November 2016

Wie funktioniert Manipulation durch die Medien?

Mehr und mehr Leuten wird klar, dass es bestimmte „Eliten“ gibt welche mehr Einfluss auf die Medien und Politik haben, als sie in einer Demokratie haben sollten. Aufgrund der sich immer weiter verschlechternden Zustände in der Gesellschaft ist es offensichtlicher denn je, dass diese sogenannten Mainstream-Medien oft nicht daran interessiert sind die Wahrheit ans Licht zu bringen oder Ereignisse verständlich zu erklären. Diese Berichterstattung ist scheinbar bestimmten Interessensgruppen dienlich, das ist ein Rückschluss der aus diesem Verhalten gezogen werden kann und zur Annahme führt, dass die Medien oftmals im Interesse von Branchen, Superreichen, mächtigen Konzernen oder einflussreichen Politikern schreiben. Aber wie funktioniert das und welche Methoden kommen dabei zur Anwendung?

Medien können auf verschiedenen Ebenen manipuliert werden: Auf unterster Ebene werden die einzelnen Redakteure und Journalisten individuell beeinflusst. Die nächste Ebene umfasst die Manipulation von einzelnen Zeitschriften oder den übergeordneten Verlagen und schlussendlich kann noch immer die ganze Branche durch Verwendung psychologischer Tricks als Propagandamaschine instrumentalisiert werden. Wie das im Detail funktioniert werde ich nun anhand einiger Beispiele erörtern.

Einbettung in Netzwerke
Um die Berichterstattung einzelner Journalisten im eigenen Interesse zu beeinflussen ist vor allem die Einbettung in bestimmte Netzwerke und Think-Tanks beliebt. Beispiele hierfür sind die Atlantik-Brücke oder die Stiftungen des amerikanischen Milliadärs George Soros. Offiziel dienen diese Think-Tanks und Stiftungen etwa dem „Austausch“ von Informationen zwischen Amerika und Europa, oder der Förderung demokratischer Werte. Tatsächlich werden aber, zum Beispiel im Falle der Atlantik-Brücke, amerikanische Interessen auf europäische Schlüsselpersonen und Journalisten übertragen, womit das Ziel einer erhöhten Zustimmung der verbreiteten Pläne, in Politik und Bevölkerung, verfolgt wird. Ungeachtet dessen, wie die in diesen Netzwerken vertretenen Interessen zu beurteilen sind, kann es nicht im Interesse eines Journalisten sein, in ein System eingebunden zu sein, welches eine bestimmte Haltung zu bestimmten Themen erwartet. Das steht klar im Widerspruch mit einer unabhängigen Berichterstattung und fördert auch nicht die Recherche, wenn diese nicht im Einklang mit den Interessen der Netzwerke, welchem man angehört, steht. Wenn Journalisten also schon Teil solcher Vereine sind, sollten sie ihre Leser zumindest darauf hinweisen, dass sich die Interessen ebendieser Vereine auch in ihren Berichten wieder finden. Weshalb sie sich überhaupt zu einer Mitgliedschaft hinreißen lassen, liegt wohl in der Belohnung, zum Beispiel durch höheres Ansehen im Berufsumfeld oder der Tatsache, dass die bewiesene Konformität neue Türen und Tore öffnet. Erstaunlicher Weise hat die New York Times in ihrem Ethikkodex einen Paragraphen, welcher es ihren Journalisten verbietet sich in Organisationen zu engagieren, die selbst „nachrichtenwürdige“ Aktivitäten entfalten oder mit Politik und Wirtschaft zusammenhängen – in Deutschland ist das, meiner Recherche zufolge, nicht üblich.

Autorisierung
Politikern, beziehungsweise allen Interviewten, steht mindestens in Deutschland ein weiteres, ungeschriebenes Gesetzt zur Verfügung, um Berichte zu manipulieren: Die Autorisierung. Diese ist in keinem Gesetz und keiner Vorschrift festgeschrieben, ermöglicht es aber dem Befragten, nach einem Interview noch ein mal nach persönlichem Ermessen Aussagen zu streichen oder umzuschreiben. Das tatsächliche Interview wird dadurch verkrüppelt, um sich selbst in möglichst gutem Licht zu präsentieren. Ein meiner Meinung nach mehr als fragliches Vorgehen, welches sich scheinbar aber zur Selbstverständlichkeit entwickelt hat. Jedoch lässt sich die Autorisierung, auch für jene die nicht damit einverstanden sind, nicht so leicht umgehen. Denn auch hier wirkt wieder das Prinzip der Konformität: Wer seinen Befragten die Autorisierung verwehrt, kann sie womöglich nicht wieder für ein Interview gewinnen, das ist besonders bei Politikern ein Problem.

Preise und Belohnungen
Ein weiters Beispiel für die Einflussnahme auf Journalisten soll der „Liberty Award“ vom Zigarettenhersteller Reemtsma darstellen, welcher an Journalisten vergeben wird, die „außergewöhnliches für die Freiheit leisten – die Freiheit der Medien, der Gesellschaft und damit für die Freiheit eines jeden Einzelnen“. Preise wie dieser sind ein beliebte Methode von Unternehmen, um Nähe zu Journalisten aufzubauen.Die Preise sind im Berufsfeld angesehen, werden aber selbstverständlich nur an jene vergeben, die auch im Interesse des vergebenden Unternehmens berichten. Das ist geschickte PR, wie sie auch von Autoherstellern betrieben wird. Journalisten bekommen Testautos zur Verfügung gestellt oder gar ganze Urlaube rund um eine Produktpräsentation bezahlt. Die folgenden Berichte sind verständlich positiv gegenüber den freundlichen Unternehmen, schließlich will man auch nicht auf zukünftige solcher Angebot verzichten und man ist natürlich auch geneigt den Gefallen mit einem Gefallen zu beantworten.

Verbindungen mit Folgewirkung
Ganze Zeitungsverlage lassen sich durch eine gewisse Nähe zu wichtigen Politikern oder durch Halten von Anteilen des Verlags an der Leine führen. Der deutsche Springer Verlag hat beispielsweise enge Kontakte zur Bundeskanzlerin und in Österreich ist es Helmut Brandstätter (Herausgeber des Kurier), welcher guten Kontakt zu Werner Faymann pflegte. Diese Nähe ist für beide Seiten eine Win-Win-Situation, die Zeitschrift berichtet dem Politiker gegenüber positiv gesinnt und erfährt dabei wichtige Informationen womöglich schon früher als die Konkurrenz. Neben dieser Nähe spielt natürlich auch Geld eine Rolle, die Raiffeisen Bank besitzt beispielsweise 50% der Medicur Holding GmbH, welche wiederum mehrheitlich an der Zeitschrift Kurier beteiligt ist. In Deutschland ist es die SPD eigene Holding Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft, welche Anteile an einer Vielzahl deutscher Zeitschriften hält. Darunter die ehemalige Frankfurter Rundschau oder die Berliner Verlagsgesellschaft Vorwärts. Die ehemalige SPD-Schatzministerin hat diesbezüglich passend erklärt: „Auch dort, wo wir nur 30 oder 40 Prozent haben, kann in der Regel nichts ohne uns passieren“. Diese Verstrickungen auf persönlicher und finanzieller Ebene können durchaus Auswirkungen auf die Berichterstattung haben, wenn es zu Interessenskonflikten kommt. Zur persönlichen Recherche sei an dieser stelle noch auf den Verein LobbyControl und dessen Webseite lobbypedia verwiesen.

Systemtheorie
Die vorangegangenen Möglichkeiten werden noch durch ein Phänomen erleichtert, welches sich mit Hilfe der Systemtheorie erklären lässt. Journalisten müssen immer mehr und mehr Materialien abliefern (schreiben, interviewen, recherchieren, soziale Medien betreuen etc.), die Quantität ist wichtiger als die Qualität. Rund um die Uhr müssen Neuigkeiten in Paketform bereitgestellt werden, wobei der Wert der Information dabei immer weiter absinkt. Das führt dazu, dass Journalisten Arbeiten für sich erledigen lassen, zum Beispiel: Das Interview führt er nicht mehr selbst, sonder überlässt es einem Kollegen oder Praktikanten. Später hört sich der Journalist dann nicht einmal mehr selbst die Aufzeichnung des Interviews an, sondern lässt sich die wichtigsten Punkte erklären. Dieses System kann natürlich von jenen ausgenutzt werden, die darüber Bescheid wissen, indem an der richtigen Stelle angesetzt wird. Agenturen können dann etwa vorgefertigte Materialien, wie Bilder und Texte, bereitstellen und sich darauf verlassen, dass diese ohne viel Veränderung so übernommen werden. Für die Einzelperson ist es umso schwieriger dagegen anzukämpfen, da nicht nur die Automatisierung und Auslagerung von Prozessen Einfluss haben, sondern auch ökonomische Faktoren. Die wenigsten Journalisten können es sich leisten, ihren Job zu verlieren.

Tricks und primitive Methoden
An dieser Stelle möchte ich auf einige der Methoden der Manipulation eingehen, die sehr effektiv sind und ohne ein Verdrehen der Wahrheit auskommen. Da wäre einerseits der Einsatz von Studien und Statistiken. Grundsätzlich ist dem nichts entgegenzuhalten und es liegt hier auch in der Verantwortung des Lesers vor allem Statistiken nicht als gegebene Tatsachen zu betrachten, sondern lediglich als hilfreichen Richtwert. Darüber hinaus ist es aber sowohl bei Statistiken als auch Studien aber sehr wichtig, über den Umfang (z.B. Anzahl der Befragten), die Auftraggeber und sämtliche Parameter, welche Einfluss haben, Bescheid zu wissen. Andernfalls werden diese Richtwerte mitunter sehr irreführend und manipulativ. BP (British Petroleum) gab 2010 beispielsweise in seiner „Statistical Review of World Energy“ den Erdölkonsum mit 87 Mio. Fass pro Tag an. Laut OPEC sind aber nur 70 Mio. Fass davon auch Rohöl, die restlichen 17 Mio. Fass stammen aus unkonventionellen Quellen, wie Teersand oder Biotreibstoffen. Hier wird verschleiert, dass konventionelles Erdöl 2006 sein Fördermaximum erreicht hat.

Als zweites Beispiel für Tricks dieser Art soll hier die Verwendung des Begriffs „Verschwörungstheorie“ herhalten. Dieser wird in den Mainstream-Medien fast ausschließlich zur Diskreditierung von unerwünschten Meinungen und den dahinter stehenden Personen angewandt. Wann immer der Begriff fällt, soll das den Eindruck erwecken, das durch ihn bezeichnete wäre unwissenschaftlich, unglaubwürdig, geradezu verrückt und unter Umständen auch noch rechtsextrem. Damit kann man jeder, vielleicht unangenehmen, Argumentation aus dem Weg gehen, indem der Gegner verunglimpft wird – ein Verdrängungsmechanismus sozusagen. Deshalb sei hier einmal erklärt was eine Verschwörung eigentlich ist: Eine geheime Absprache zweier oder mehrerer Teilnehmer, die sich aller Wahrscheinlichkeit nach nachteilig für die Betroffenen auswirkt. So ist zum Beispiel auch die offizielle Erklärung der US-Regierung zu 9/11 eine Verschwörungstheorie, denn auch diese dreht sich um eine geheim Absprache.

Psychologie
Schließlich gibt es noch eine Reihe psychologischer Tricks, um geschehenes unsichtbar zu machen. Die Rede ist von moralischer und kognitiver Unsichtbarkeit: Erste bedeutet, dass die moralische Verwerflichkeit von passiertem nicht erkannt wird, während zweitere das Ziehen von Schlussfolgerungen verhindert. Eine sehr effektive Methode zum Erreichen dieses Ziel ist die Fragmentierung. Fragmentierung bedeutet, dass Ereignisse und Informationen so zerstückelt und isoliert dargestellt werden, dass sich keine Zusammenhänge mehr daraus herstellen lassen. Erst wenn die Ursache für die Fragmentierung bekannt ist, können auch wieder die Zusammenhänge hergestellt werden.

Anhand eines Beispiels werde ich die Funktion dieser Technik verdeutlichen. Der Syrien Konflikt hat seine Ursache, wie die meisten Konflikte in der Region, im Rohstoff Erdöl bzw. Erdgas. Katar und der Iran haben bei Zugang zum größten Erdgasfeld der Erde, da dieses zusammen hängt, versteht sich, dass der schnellere den größeren Profit erzielt. Um das Gas zu verkaufen beabsichtigten sowohl der Iran wie auch Katar den Bau einer Pipeline durch Syrien. Jedoch gestattete Baschar al-Assad nur dem Iran das Projekt. Russland und der Iran stehen auf der Seite Syriens, während Katar auf jener Amerikas und Saudi-Arabiens steht. Die Ursache ist also sehr einfach erklärt und klar verständlich, so nachzulesen ist das aber in keiner Zeitschrift. Denn hier kommt das Prinzip der Fragmentierung zur Anwendung: Es wird über Unmengen an Ereignissen zum Syrien Konflikt berichtet, aber die Zusammenhänge werden nicht erklärt und aus der Informationsflut lassen sie sich auch nicht selbst herstellen.

Weitere psychologische Methoden sind etwa die De-kontextualisierung und die Re-kontextualisierung, wobei Informationen aus ihrem Kontext genommen werden und in einem anderen wieder eingebettet werden. So werden etwa die Folterskandale der USA aus dem Kontext der 20 Mio. Toten, welche die USA seit dem 2. Weltkrieg zu verantworten hat, gerissen und in jenen eines Einzelfalls eingebettet. Es ist dann auch ziemlich egal, wenn Zeitschriften doch über die Folterpraktiken der USA berichten, denn diese werden als Einzelfall dargestellt.

Interessant ist auch die Tatsache, dass wir etwas eher glauben wenn es öfter wiederholt wird – auch wenn es im vornherein als falsch deklariert wird. Das trifft zum Beispiel auf die Kriegspropaganda zu, wie sie etwa George W. Buch an die Amerikaner verkaufte. Er wiederholte immer wieder und wieder, wer die „Bösen“ sind. Mit Krieg sind wir auch schon bei einem sehr wichtigen Thema: Die Burtkastenlüge, welche für den Beitritt der USA in den zweiten Golfkrieg gesorgt hat, ist eine Erfindung der PR-Firma Hill & Knowlton Strategies. Man muss sich dessen bewusst sein, dass es PR-Firmen gibt, welche damit werben derart fatale Lügen zu erfinden oder sogenannte grassroot-movements zu inszenieren. Sprich diese Firmen generieren Initiativen, welche den Anschein erwecken durch die Bevölkerung gestartet worden zu sein. Nicht nur das Fälschen von Bildern und Fotos ist heutzutage Gang und Gebe.

Die Informationsflut, mit welcher wir uns neben all diesen perfiden Methoden konfrontiert sehen, erschwert Entscheidungen und Meinungsbildung noch zusätzlich. Es muss überhaupt erst das relevante vom irrelevanten getrennt werden und selbst das reicht noch lange nicht aus um ein klares Bild zu erhalten. Ohne die Zusammenhänge zwischen Ereignissen zu erfahren und einen Blick auf das große Gesamtbild zu erhalten, ist es schier unmöglich sich eine Meinung zu bilden. Die Medien haben die Rolle übernommen für uns zu entscheiden, ob etwas gut oder schlecht ist, sie haben uns dazu konditioniert unseren Hausverstand nicht zu verwenden. Denn würden wir diesen öfter verwenden, so wäre der Widerstand der Bevölkerung in vielen Bereichen stärker als er es jetzt ist.

All das ist Schlussendlich Propaganda und dient der Durchsetzung bestimmt Interessen, deshalb hier noch eine Definition von Dr. Rainer Mausfeld: “Als Propaganda sind alle systematischen Versuche anzusehen, die darauf zielen, die natürliche Urteilsfähigkeit von Menschen zu unterminieren und Einstellungen, Überzeugungen und Meinungen zu erzeugen, durch die sich die Menschen zum Vorteil der jeweils herrschenden Eliten missbrauchen lassen.“

Informationen von: Aktham Suliman, Daniele Ganser, Rainer Mausfeld, Udo Ulfkotte

Freitag, 28. Oktober 2016

Einblick in das Geldsystem

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Ein fundamentales Missverständnis oder eher Nicht-Verständnis liegt darin, dass den meisten nicht bekannt ist, dass ihr Geld auf dem Konto nicht das selbe wie ihr Bargeld ist. Bargeld zählt nämlich zum gesetzlichen Zahlungsmittel (oder Zentralbankgeld), während das virtuelle Giralgeld auf unseren Konten lediglich eine Forderung auf Bargeld darstellt und damit auch nicht vom Staat garantiert wird. Giralgeld ist also nur ein Anspruch auf Bar- oder Zentralbankgeld, welches die Bank womöglich gar nicht in diesem Ausmaß parat hält.

Die Tatsache, dass dieses Geld dennoch wie gesetzliches Zahlungsmittel angenommen wird, hat ihre Begründung darin, dass es theoretisch jederzeit in solches eingetauscht werden kann. Dies ist real jedoch nur eine Utopie, denn dank einer Mindestreserve von 1% im Euroraum, müssen Banken eben nur 1% ihrer Kundeneinlagen tatsächlich in Zentralbankgeld bereit halten. Deshalb ist der „Bank-Run“ unter Banken auch so gefürchtet und es wird diskutiert das Bargeld abzuschaffen, da die Zinsen auf ein Girokonto gegen Null gehen. Ein Bank-Run wäre dann unmöglich und die Banken müssten sich keine Sorgen mehr machen, dass ihre Kunden das Geld abziehen. Angela Merkel verkündete in Anbetracht einer solchen massiven Nachfrage nach Bargeld, die Einlagen der deutschen Sparer wären sicher und die Bundesregierung stünde sogar dafür ein - das ist natürlich völlig unmöglich und dient nur der Beruhigung der Öffentlichkeit. Ohne Bargeld wäre gesetzliches Zahlungsmittel für uns jedoch gar nicht mehr verfügbar, denn dieses ist für uns nur in Form von Bargeld erhältlich, virtuell und direkt von der Zentralbank bekommen es nur Banken oder Mitarbeiter der Zentralbank.

Kommen wir zu einer weiteren Fehlvorstellung: Der Kreditvergabe durch Banken. Ein Kredit besteht nicht etwa, wie es suggeriert wird, aus den Einlagen der Kunden einer Bank, sondern aus neu geschöpftem Geld. Das funktioniert ganz einfach, für einen neu vergebenen Kredit generiert die Bank über einen Buchungssatz neues Geld auf dem Konto des Kunden – aus dem Nichts. Aufgrund der Mindestreserve muss die Bank jedoch 1% des Kreditwertes in Zentralbankgeld bereit halten, welches sie sich von der Zentralbank bei einem Leitzins unter 1% leihen kann. Vergibt die Bank also einen Kredit in der Höhe von 1 Mio. Euro, so leiht sie sich 10.000 Euro Zentralbankgeld für Zinszahlungen unter 100 Euro – ein gutes Geschäft wie leicht ersichtlich ist. Ist der Kredit zurück bezahlt so wird dieses Geld wieder terminiert, jedoch behält die Bank die Zinszahlungen für sich. Diese Geldschöpfungsgewinne sind es unter anderem, welche die Banken so reich und mächtig machen.

Vor diesem Hintergrund lassen sich die Zinsen welche Banken auf vergebene Kredite einfordern stark hinterfragen, denn das Geld welches samt Zinsen zurück gezahlt wird hat vorher gar nicht existiert. Dazu kommt das Problem, dass zum Zurückzahlen der Zinsen im System als ganzes immer mehr Geld benötigt wird, sprich es muss neues Geld geschöpft und in Umlauf gebracht werden. Dies kann aber nur gut gehen so lange die Geldschöpfung im Einklang mit der Wertschöpfung steht, sonst verliert das Geld gezwungener Maßen seinen Wert, da es im Übermaß vorhanden ist. Heutzutage, in einer Zeit, in der die meisten Kredite aber in den Konsum und die Finanzwirtschaft fließen oder zum Zurückzahlen von Schulden verwendet werden, ist das offensichtlich nicht der Fall.

In Bezug auf den Zins führt die Frage der Profiteure ebenfalls zu unangenehmen Erkenntnissen, denn wer viel Geld besitzt profitiert von niedrigen, wie auch hohen Zinsen. Ein niedriger Zins der Banken nützt insofern, da dadurch viel Geld über Kredite in Umlauf kommt, was zu einer erhöhten Nachfrage nach Immobilien oder Aktien führt. Das ist gut für jene die viele solcher Anlagen besitzen. Sind die Zinsen hoch, so ist es profitabel selbst Kredite zu vergeben oder das Geld durch Anleihenkauf Unternehmen zur Verfügung zu stellen, denn diesen kommt das womöglich günstiger als Bankkredite.

All diese Probleme haben sich über die vergangenen Jahrzehnte gewaltig aufgeschaukelt, viele Staaten können ihre Schulden mathematisch nicht mehr zurück bezahlen und sind somit theoretisch Bankrott. Darüber hinaus äußert sich die Verantwortungslosigkeit der Finanzwirtschaft immer öfter in sogenannten "Bail-Outs", welche die Steuerzahler Milliardenbeträge kosten, was damit begründet wird die Banken seien systemrelevant. Nicht begründet wird jedoch warum sie nicht Verantwortung für ihre eigenen Fehlinvestitionen übernehmen müssen. Deshalb finde ich, sollte man sich grundsätzliche die Fragen über alternative Geldformen stellen, die parallel zum derzeitigen Geld eingeführt werden können. Das Vollgeld, auf welches ich in einem kommenden Beitrag eingehen werde, verspricht eine aussichtsreiche Lösung für unsere heutigen Geldprobleme zu sein.

Weiterführende Literatur: Christoph Pfluger - Das nächste Geld.

Dienstag, 25. Oktober 2016

Zucht und Gentechnik

Das Thema gentechnisch modifizierte Lebensmittel ist nach wie vor höchst umstritten. Es mangelt nicht an Argumenten für oder gegen, jedoch wissen wir wenig über die Auswirkungen solcher Lebensmittel und erst recht schwierig wird es eine Linie zu ziehen, zwischen dem, was erlaubt und was nicht erlaubt sein sollte. Hier einige Fragen und Überlegungen zum Thema, um eine persönliche Entscheidung zu erleichtern.

Es ist nicht so als ob die Menschen erst mit genetisch modifizierten Pflanzen Eingriffe in die Natur, zum Zwecke der Verbesserung vornehmen. Wobei eine Verbesserung zum Beispiel in wirtschaftlichen (erhöhter Ertrag) oder gesundheitlichen (verträglichere Lebensmittel) Formen erreicht werden kann. Jedoch lässt sich die Gentechnik von der Zucht in einigen Punkten eindeutig abgrenzen, wodurch ein roter Faden zwischen den beiden Techniken gezogen werden kann.

Differenzierung
Die Entstehung neuer Arten, wie in der künstlichen Zucht durch Menschen, existiert in der Natur schon seit jeher, etwa in Form von Zufallskreuzungen (die Hybridrebe ist ein Beispiel hierfür). Wissenschaftlich wurde das Thema durch Gregor Mendels Forschungsarbeiten revolutioniert: Er führte Kreuzungsversuche an Erbsen durch, indem er Erbsen mit dem Blütenstaub anderer Erbsenarten bestäubte und so Gene von einer Art auf die andere Art übertrug, um neue Arten zu schaffen. Grundsätzlich kommt in der Zucht und der Gentechnik also dasselbe Prozedere zur Anwendung, Gene werden von einem Lebewesen auf ein anderes übertragen, wobei dies zu vorteilhaften Eigenschaften im neu erschaffenen Lebewesen führen soll. Die Zucht beschränkt sich jedoch auf Arten innerhalb einer Gattung. Es ist nicht möglich, wie in der Gentechnik, Gene von verschiedenen Gattungen aufeinander zu übertragen. In der Gentechnik ist sogar die Übertragung von Bakteriengenen auf Tiere möglich, was selbstverständlich um eine Vielzahl mehr Möglichkeiten zur Erschaffung neuer Arten bedeutet. Ein weiterer Unterschied liegt in der Tatsache, dass in der Gentechnik bestimmte Gene einzeln übertragen werden könne, während in der Zucht keine Kontrolle über die übertragenen Gene besteht. Schlussendlich ist die Gentechnik also eine verfeinerte Art der Zucht, welche nur unter künstlichen Bedingungen möglich ist.

Grundsätzliches
Auf Basis dieser Erkenntnisse lässt sich also sagen, dass weder die Zucht noch die Gentechnik per se schlecht oder gut sind. Mit beiden Techniken können sowohl mehrheitlich vorteilhafte wie auch mehrheitlich nachteilige Ergebnisse erzeugt werden. Jedoch kann darüber diskutiert werden wie sinnvoll oder notwendig die Methoden sind. Aufgrund der Aktualität und der beschränkten Möglichkeiten der Zucht, werde ich dies zum Thema Gentechnik etwas ausführen.

Um die Fragen der Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit zu beantworten, sollte man sich erst die verfolgten Ziele vor Augen führen. Nehmen wir hier als Beispiel die Landwirtschaft, denn gerade dieser Bereich wird stark von gegenteiligen Meinungen dominiert. Die einen befürworten Produkte wie “Gen-Mais”, die andern sind strikt dagegen. Welches Ziel kann also mit einem solchen Produkt verfolgt werden? Das könnte die Erhöhung des Ernteertrags sein, das Immunisieren der Pflanze gegen Schädlinge oder aber Pestizide, das Entfernen von Allergenen oder auch eine Änderung des Geschmacks. Egal welches Ziel verfolgt wird, einige Fragen sollte sich jeder stellen um eine Meinung zu dem Thema beziehen zu können.

Davor aber noch etwas grundsätzliches, das zur Beantwortung dieser Fragen immer berücksichtigt werden sollte. Die Gentechnik steckt noch in ihren Kinderschuhen und ist ein sehr komplexes Gebiet. Aussagekräftige Langzeittests zu genetisch modifizierten Organismen sind nur in sehr beschränktem Maße vorhanden, daher ist schwer zu sagen welche Auswirkungen diese Produkte auf die Konsumenten haben werden - vor allem der langfristige Konsum. Außerdem ist schwer vorherzusehen welche Auswirkungen die Genprodukte auf die Umwelt haben werden und umgekehrt, wie die Natur sich auf die Pflanzen auswirkt. Breitet sich die Pflanze womöglich unkontrolliert aus? Verändert sie den Boden? Oder bietet sie bestimmten Schädlingen neue Nahrung? Erst wenn derartige Fragen geklärt sind, kann von einem “sicheren” GMO die Rede sein.

Frage der Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit
Nun, angesichts der Überproduktion und des täglich anfallenden Lebensmittelmülls, stellt sich die Frage, ob es aus einer gesamt-gesellschaftlichen Sicht notwendig ist, zum Beispiel den möglichen Ertrag einer Pflanze, wie Mais, zu erhöhen. Deshalb ist es meiner Meinung nach weder sinnvoll, noch notwendig hier GMOs anzubauen, solange diese nicht mit Sicherheit als unbedenklich eingestuft werden können.

Das “Abhärten” einer Pflanze gegen Schädlinge erscheint generell als sinnvoll, solange dies nicht auf Kosten anderer wichtiger Kriterien dieser Pflanze geschieht. Immerhin könnte so der Einsatz von Pestiziden reduziert werden. Womit wir auch schon zu einer anderen Methode der Schädlingsbekämpfung durch Gentechnik kommen, wenn auch einer indirekten. Man könnte schließlich auch die Pflanze resistenter gegen Pestizide machen, persönlich finde ich aber eine Reduzierung der verwendeten Pestizide erstrebenswerter.

Eine weitere Möglichkeit der Gentechnik besteht darin, Pflanzen oder Früchte von Schadstoffen oder Allergenen zu befreien. Auch das hört sich auf den ersten Blick vernünftig an, jedoch stellt sich doch die Frage wie weit man gehen sollte. Würde unser Immunsystem womöglich schwächer werden, wenn wir mehr und mehr Lebensmittel konsumieren, die von unserem Organismus möglichst einfach verwertet werden können? Ich kann diese Frage nicht beantworten und bin mir mehr als unsicher wie gut das zum derzeit wissenschaftlich möglich ist. So lässt sich auch in diesem Zusammenhang hinterfragen, wer von so einem Vorgehen schlussendlich profitieren würde und in wessen Interesse es wäre. Sind es bestimmte Industriezweige, beispielsweise die Pharmaindustrie, oder die Gesellschaft an sich? Eine hilfreiche Frage, um auch in diesem Fall einen Eindruck für Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit zu erhalten.

Meiner Meinung nach sollte man Gentechnik also nicht in den Himmel loben aber auch nicht verteufeln. Die Forschung in diesem Bereich birgt mit Sicherheit noch enormes Potenzial, sollte aber vor ihrem Einsatz gründlich geprüft werden. Außerdem ist wie gesagt stets die Notwendigkeit zu hinterfragen, sollte es natürliche Alternativen zu GMOs geben, so bin ich dafür auf diese zurück zu greifen. Nutzhanf könnte beispielsweise unseren Bedarf an einer Vielzahl an Rohstoffen - wie Fasern, Ölen oder Brennstoffen - befriedigen.

Samstag, 8. Oktober 2016

TTIP - Eine Analyse

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TTIP ist nach wie vor ein höchst umstrittenes Thema, während sich in den deutschen und österreichischen Medien, sowie in der Bevölkerung, eine eindeutig negative Haltung gegenüber dem Freihandelsabkommen abzeichnet, wird es von den großen Politikern, wie Merkel, weiter vorangetrieben. Was hat es damit auf sich?, und was spricht eigentlich für das Abkommen, welche großen Vorteile dürften wir uns erwarten?

Berichterstattung
Wenn man die Berichterstattung in den Medien etwas betrachtet, fallen einige Dinge auf. Zum Beispiel, dass sämtliche kritische Artikel zwar mögliche Nachteile aufzeigen, aber keine wirklich schlagkräftigen Argumente liefern. Am bekanntesten sind oberflächliche Argumente rund um die Geheimverhandlungen, Standards und Schiedsgerichte - auf welche wir noch zurückkommen werden. Aber generell lässt sich die ganze Debatte in den Medien, rund um TTIP, im Grunde als ein Überdruckventil für den Unmut der Bevölkerung betrachten. Dieser wird damit der Wind aus den Segeln genommen, es wird der Eindruck erzeugt die Medien stünden auf der Seite des Widerstandes und “kümmern sich schon darum”. Sie sind sozusagen eine Pufferzone zwischen Bevölkerung und Politik. Wie ich zu dieser Ansicht komme? Nun in anbetracht der, vor allem in Deutschland, mehrfach aufgezeigten Verbindungen zwischen Medien und Politik, sowie zu transatlantischen Think-Tanks, würde es mich wundern wenn die Leitmedien sich auf einmal auf die Seite der kritischen Bevölkerungsteile geschlagen hätten.

Ein weiterer, bezüglich der Berichterstattung zu TTIP, interessanter Punkt sind die angesprochenen Geheimverhandlungen. Befürworter des Abkommens weisen immer wieder darauf hin, dass ja die EU-Kommission selbst Papiere zu den Verhandlungen veröffentlicht. Schön und gut, aber hier lässt sich meiner Meinung nach ein Widerspruch feststellen: Wenn die EU schon selbst Informationen veröffentlicht, wieso dürfen dann nicht auch die Abgeordneten der nationalen Parlamente über die Informationen, die sie in den Leseräumen erfahren, diskutieren?, warum dürfen Informationen nur von einer Quelle veröffentlicht werden?

Angebliche Vorteile
Befassen wir uns nun etwas mit den in Aussicht gestellten Vorteilen und Fortschritten des Abkommens. Interessant wäre es einmal, diese von den Politikern, welche das Abkommen befürworten, zu erfahren - und zwar nicht nur durch plumpes einwerfen von Worten wie “Wachstum” oder “Arbeitsplätzen”. Ich habe zu diesem Zweck einige Artikel in Spiegel und FAZ durchsucht, die versprochenen Vorteile sind aber fast alle entweder sehr schwach, nicht spezifisch für TTIP oder es wird nicht erklärt über welche Methoden und Zusammenhänge sie zustande kommen sollen, was meiner Meinung nach sehr wichtig für das Verständnis ist.

Ein häufig erwähnter Punkt ist die Abschaffung von Eigentumsbeschränkungen, was wohl allen voran mehr Privatisierungen ermöglichen soll und Investoren zugute kommt, die sich zu größeren Anteilen beteiligen können. Ob das als Vorteil zu sehen ist, sollte kritisch betrachtet werden. Privatisierungen sind natürlich nicht generell als schlecht oder gut zu betrachten, es kommt auch darauf an was privatisiert wird. Hier eine Möglichkeit, die ich als sinnvolle Lösung, was die Privatisierung von Versorgungsinfrastruktur - Wasserversorgung, Müllabfuhr usw. - betrifft, betrachte. Die Instandhaltung der Infrastruktur erfolgt durch den Staat und bleibt auch in dessen Besitz, er vermietet sie jedoch an private Unternehmen. Damit ist sichergestellt, dass die Qualität und Verfügbarkeit der Dienste gewährleistet ist, während sie gleichzeitig von konkurrierenden, gewinnorientierten Unternehmen verwaltet werden.

Das Wegfallen von Zöllen wird ebenfalls sehr oft als Fortschritt betitelt und soll niedrige Preise für die Konsumenten mit sich bringen. Ob sich ein Wegfall der Zölle (Standardzoll 6%) jedoch tatsächlich in den Preisen für Endverbraucher widerspiegelt ist meiner Meinung nach aber fraglich. Im Falle des Zuckerpreises hat sich gezeigt, dass ein niedrigerer Preis (durch die Zuckermarktreform) von den weiterverarbeitenden Unternehmen zur Erhöhung der Gewinnmarge genutzt wird und nicht an die Konsumenten weitergegeben wird. Ähnlich verhält es sich auch bei einem Fall des Ölpreises, dieser wird erst verzögert durch billigeres Benzin und Diesel an die Kunden weitergegeben. Darüber hinaus wäre der Unterschied, an einem einzelnen Produkt bemessen, wohl auch eher gering. Außerdem sind Zölle ein durchaus wichtiger Steuerungsmechanismus, um zum Beispiel Wettbewerbsvorteile (niedrigere Produktionskosten im Land von dem importiert wird) zu kompensieren. Daher halte ich es nicht für sinnvoll, dies in einem völkerrechtlichen Vertrag festzuhalten.

Kommen wir nun zu den zwei wohl wichtigsten als Gewinn betitelten Folgen von TTIP. Einer soll die Schaffung von Arbeitsplätzen sein: Laut FAZ kann in Deutschland mit einem Zuwachs von rund 110.000 Arbeitsplätzen gerechnet werden, der Zeitraum bis wann diese Zahl realisiert werden soll wird dabei nicht erwähnt (im Spiegel findet sich aber eine ähnliche Zahl, auf 15 Jahre befristet). Bemessen an der derzeitigen Arbeitslosenzahl in Deutschland von etwa 2,7 Mio. (statista.com), sind das mickrige 3,7% aller Arbeitslosen. Außerdem darf nicht vergessen werden, dass aufgrund der, nach TTIP, von außen importierten Produkte natürlich auch Arbeitsplätze gefährdet werden. Ob durch TTIP also tatsächlich ein Nettozuwachs an Arbeitsplätzen zu erreichen wäre ist mehr als unsicher.

Zweiter großer Pluspunkt soll der Anstieg des Wachstums in der EU sein. Auch hier habe ich in der FAZ einige Zahlen gefunden, die ernüchtern. Bis 2027 soll das BIP der EU im besten Fall(!) um 120 Mrd. Euro höher sein als ohne TTIP. Derartige Prognosen sind natürlich immer kritisch zu betrachten und man kann den tatsächlichen Unterschied sowieso nie nachmessen, denn es wird nur einen Fall geben. Gehen wir aber einmal von dieser Zahl aus und betrachten sie in Relation zum derzeitigen BIP der EU, dieses wird 2015 auf 14,7 Bio. Euro bemessen. Die angepeilten 120 Milliarden würden also eine Steigerung von lächerlichen 8 Promille durch TTIP ausmachen, außerdem ist davon auszugehen, dass das BIP der EU bis 2027 noch deutlich steigt.

Aus diesen Gründen ist es wichtig die möglichen Wirtschaftsvorteile von TTIP auch Alternativen gegenüber zu stellen. Ein weiterer Punkt der die obige Kritik an den Medien bestärkt, denn genau das wird von ihnen nicht gemacht, der Widerstand wird verdampft und nicht gebündelt. Welche Alternativen kämen hier in Frage? Einerseits, ganz klar, das Aufheben der ungerechtfertigten Sanktionen gegen Russland, diese haben sowieso mehr Schaden als sonst etwas angerichtet, was schließlich in ihrer Natur liegt. Darüber hinaus sollte auch ein verstärkter Handel mit Ländern wie Russland, immerhin Nachbar der EU, China und anderen in Betracht gezogen werden.

Denn wenn man genau hinschaut ist genau das auch ein Problem von TTIP, es bindet die EU an Amerika, welches ja ganz offensichtlich in einen Wirtschaftskrieg mit Russland und China verwickelt ist. Wenn die USA und Europa ihre Standards angleichen und völkerrechtlich niederschreiben wird dieser Handelsraum für die beiden Ländern aus dem Osten natürlich schwerer zugänglich.

Zusammenhänge und Kritikpunkte
Hier meine Hauptkritikpunkte an dem Freihandelsabkommen, angefangen bei der Diskussion um die Standards. Dazu eingangs zwei Zitate aus dem Spiegel:

“US-Bauern dürfen Pestizide oder Hormone einsetzen, die in der EU verboten sind. Auch sind europäische Umweltauflagen strenger als amerikanische. Was auf US-Seite als Handelshemmnis gesehen wird, betrachten EU-Verhandler als notwendig - auch, weil der Protest von Landwirten und Umweltschützern so laut ist.”


“In Europa gilt das Vorsorgeprinzip. Erst wenn Stoffe nachweislich unschädlich sind, dürfen sie verarbeitet werden. In den USA gilt das Nachsorgeprinzip: Solange es keine wissenschaftlich eindeutig belegten Gefahren gibt, dürfen alle Produkte auf den Markt.”


Es ist also sehr wohl eine Diskrepanz ersichtlich und wenn davon die Rede ist die Standards beider Handelsräume anzugleichen, ist die Frage zu wessen Vor- oder Nachteil dies geschehen wird. Darüber hinaus ist anzumerken, dass diese Standards durch TTIP völkerrechtlich verankert sind und damit nur sehr schwer wieder reformiert werden können.

Ein weiterer wichtiger Zusammenhang bezüglich der Standards darf auch nicht außer acht gelassen werden: Die amerikanischen Unternehmen sind meist größer und finanziell langatmiger, dass hat zur Folge, dass sie eine weit aggressivere Preispolitik anwenden können und europäische Unternehmen unter Umständen kaputt wirtschaften können. Diese werden dann zu Übernahmekandidaten für amerikanische Konzerne und Investoren. Schlussendlich haben diese dann die Möglichkeit nur die minimalen Anforderungen an Standards einzuhalten oder die Preise im Nachhinein wieder stark zu steigern. Das alles kann gefährlich werden, wenn die Mittel zur Regulierung von Produkten aus dem Ausland erst einmal beseitigt sind.

Auch die Schiedsgerichte sind natürlich kritisch zu sehen. Wenn Investoren aufgrund von demokratischen Entscheidungen Gewinne entgehen, ist es gerecht sie in einem angemessenen Ausmaß zu entschädigen. Sprich, die Menge an Kapital, die dem Staat aufgrund der Investition zugute gekommen ist, sollte auch wieder zurückerstattet werden. Aber man sollte nicht den Fokus auf Investorenschutz und die Beseitigung von “Handelshemmnissen” legen, denn wir leben schließlich in einer (Schein)Demokratie und das Recht sollte schließlich vom Volk ausgehen, welches nun mal die Möglichkeit hat Einfluss zu nehmen. Ich finde es nicht angebracht eine Paralleljustiz zu verankern, welche sich demokratischer Kontrolle entzieht.

Vereinbarkeit mit der Demokratie
“Das ist für die deutsche Wirtschaft gut, das ist für die gesamte europäische Wirtschaft gut”, so die deutsche Bundeskanzlerin. Aber hier eine Gegenfrage: Ist es auch für die deutsche und die europäische Bevölkerung gut?, sollten wir tatsächlich politische Entscheidungen an der Wirtschaft bemessen oder doch an der Bevölkerung?

Bei TTIP wurde der Fokus jedenfalls auf die Wirtschaft gerichtet, das zeigt sich an den verschiedenen Kritikpunkten sehr deutlich. Das Abkommen soll Investoren und Großkonzernen höhere Gewinne ermöglichen und Europa an die USA binden, um die chinesische Konkurrenz in Schach zu halten und Russland weiter zu schwächen. Keiner der vermeintlichen großen Vorteile ließe sich nicht auch ohne das Freihandelsabkommen erreichen und darüber hinaus ist es nicht in Europas Interesses sich von Russland und Asien abzuwenden. Meiner Ansicht nach ist es außerdem unglaubwürdig, dass sich TTIP zum Wohle der Bevölkerung auswirkt, schon allein wegen des massiven Lobbying von Seiten der Konzerne.

Fazit
Man kann dem Vorhaben eines Freihandelsabkommen nicht alles absprechen. Zum Beispiel die Tatsache, dass aufgrund der verschiedenen Standards in beiden Handeslräumen Zulassungsverfahren notwendig sind, bietet durchaus Spielraum zur Verbesserung, wie auch von TTIP beabsichtigt. Jedoch, wenn keine separaten Zulassungsverfahren notwendig sind, wer führt dann die Tests durch? Überhaupt, ein Zitat aus der FAZ stimmt mich fraglich ob zu diesem Zweck ein Freihandelsabkommen notwendig ist: “Der Antihistaminhersteller Absam aus Österreich exportiert in 60 Länder, nicht aber in die Vereinigten Staaten, da er dazu neben den heimischen Inspekteuren auch noch amerikanische bezahlen müsste – obwohl beide auf Basis derselben internationalen Regeln arbeiten” Wie gelingt dann der Export in diese 60 Länder, ich kann mir schwer vorstellen, dass mit all diesen ein Freihandelsabkommen abgeschlossen wurde.

Die EU sollte außerdem nicht den Handel mit Russland und China vernachlässigen, wir wären in der Lage mit allen Partnern vernünftig zu handeln, ohne uns auf eine Seite zu schlagen. Die Sanktionen gegen Russland könnten im groben auch als Gegenteil von Freihandel bezeichnet werden. Auf der einen Seite wird etwas befürwortet, während man auf der anderen das Gegenteil macht. Eine bekannte Doppelmoral der transatlantischen Politik. Und wenn jetzt jemand sagt, die Sanktionen gegen Russland sind gerechtfertigt, so hätte die EU die USA in der Vergangenheit schon mehrmals sanktionieren müssen.

Auch ist Freihandel an sich selbstverständlich nicht generell abzulehnen, jedoch kann er nicht einfach mit dem Argument des Fortschritts durchgesetzt werden. Es ist abzuwägen wie notwendig einzelne Aspekte aus demokratischer Sicht sind, nicht vorrangig aus wirtschaftlicher. Denn in Aussicht gestellter Fortschritt sollte immer mit den Fragen: “Zu welchem Preis?” und “Profitiert jemand unverhältnismäßig mehr als die anderen?” verbunden werden.

Montag, 3. Oktober 2016

Antiamerikanismus

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Ein Wort erfreut sich immer häufigeren Gebrauchs: Antiamerikanismus taucht stets dort auf, wo ein Wort gesucht wird um jene zu verunglimpfen, die Kritik an der amerikanischen Weltanschauung äußern. Sprich Leute, die der amerikanischen Politik nicht zustimmen. Der Begriff erfüllt dabei einen bestimmten Zweck, er soll diffamieren, bezeichnet etwas “böses”. Definiert wird seine Bedeutung jedoch nicht und das sollte kritisch gesehen werden.

Denn was soll jemandem mit dem Wort mitgeteilt werden, ist er gegen das amerikanische Volk, die amerikanische Elite oder aber Amerikas Wirtschaft? Anstatt eine dieser Fragen zu beantworten und eine Tatsache festzustellen, wird ein Sachverhalt geschaffen: Der der Diffamierung. Die antiamerikanische Person sei gegen den technologischen und wirtschaftlichen Fortschritt, sowie gegen die Freiheit. Das lässt sich zum Beispiel daran erkennen wenn TTIP-Kritiker als antiamerikanisch bezeichnet werden, denn TTIP würde uns angeblich wirtschaftlichen Fortschritt, Wohlstand und auch Freiheit bescheren.

Man versucht mit einem solchen Begriff sich gegen Kritik abzusichern und Argumenten aus dem Weg zu gehen. Dieser Trick ist altbekannt und beliebig auf die eigenen Ansichten anwendbar. Streng Gläubige können beispielsweise behaupten jeder der Gott widerspricht, sei ein Werkzeug des Teufels. Damit ist man gegen jede Kritik abgesichert, da jeder Kritiker automatisch zum Werkzeug des Teufels wird. Das erspart es einem den eigenen Standpunkt mit Argumenten zu verteidigen, da der Gegner sowieso nicht ernst genommen werden muss.

Aber zurück zu den obigen Fragen, würde mit der Bezeichnung “antiamerikanisch” nur eine Tatsache festgestellt, zum Beispiel dass jemand gegen die amerikanische Wirtschaftspolitik sei, was wäre das verwerfliche daran? Amerikanische Politiker oder Journalisten, die Kritik an der europäischen Politik äußern werden meines Wissens nach nicht als “antieuropäisch” bezeichnet, es wäre auch schwachsinnig. Warum sollte die amerikanische Weltanschauung nicht kritisiert werden dürfen, wenn legitime Argumente vorgebracht werden. Wäre sie womöglich nicht zu rechtfertigen und man geht deswegen einer Argumentation aus dem Weg?

Freitag, 23. September 2016

Zuckermarktreform - Politische Argumente

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Diskussion zum Thema Regulierungen/Liberalisierungen am Beispiel des Zuckermarkts. Wie sinnvoll ist die geplante "Reform"?

Zahlen und Fakten
  • Der Weltmarkt für Zucker ist höchst volatil und erschwert dadurch eine stabile Versorgung.
  • Die Erzeuger erfordern einer gewisser Planungssicherheit, die über den Weltmarkt nicht gewährleistet ist.
  • 85% (vorher 115%) des Zuckerverbrauchs werden in der EU produziert, was auf die noch bestehenden Quoten zurückzuführen ist.
  • Die Zuckermarktordnung beinhaltet folgende Kernelemente:
    • Eine maximale Produktionsquote, welche sicher stellt, dass sich die Produktion nicht auf wenige Gebiete konzentriet (kann zu großen Ausfällen und Abhängigkeiten führen).
    • Ein Mindestpreis für Zuckerrüben, um ebenfalls einen verstreuten Anbau zu gewährleisten.
  • Eine Refrom der Zuckermarktordnung wurde 2006 durchgeführt, Ziele waren:
    • Senkung der europäischen Zuckerproduktion auf 12 Mio. Tonnen (minus 6 Mio Tonnen).
    • Senkung der Referenzpreise für EU- und importierten Zucker um 36%.
    • Die Senkung des Mindestrübenpreises um 40%.
  • 2009 wurden weitere Deregulierungen vorgenommen:
    • Der Zuckermarkt wurde für Einfuhren aus den LDC (Least Developed Countries) und AKP-Ländern (Afrik, Karibik, Pazifik) geöffnet.
    • Zölle und Mengenbegrenzungen wurden vollständig aufgehoben.
  • Die Reform hatte weitreichende Folgen:
    • In Österreich die Schließung der Fabrik Hohenau.
    • Aufgrund der Volatilität am Zuckermarkt ist der Import nach Europa unsicher und stark von Ausfällen und Preis abhängig.
    • Die Autarkie Europas ist gefährdet und so wurde die EU innerhalb von 3 Jahren vom Nettoexporteur zum Nettoimporteur.
    • Schließung von 44% der europäischen Zuckerfabriken zwischen 2005/06 und 2010/11. Insgesamt wurden 83 Fabriken geschlossen.

Auf Basis dieser Zahlen und Fakten lassen sich nun einige Argumente und Fragen diskutieren.

...
Argument der Standards: Die europäischen Qualität- und Gesundheitsstandards sind mindestens in der Produktion höher als das beispielsweise bei Rohrzucker aus Brasilien der Falls ist. Vergiftungsfälle durch Pestizide sind dort keine Seltenheit.

Argument des Bedarfs: Ist es in Europa notwendig Zucker zu importieren oder kann der Bedarf aus Eigenproduktion gedeckt werden? Wie oben bereits erwähnt produziert die EU 85% ihres Zuckerbedars selbst, vor der Zuckermarktreform war dieser Wert bei 115% angesiedelt.

Argument der Größenordnung: Die Zuckerindustrie in Europa ist kleiner als im Rest der Welt (insbesondere Brasilien), dadurch ist der Schaden der unserer Industrie durch einen Wegfall der Regulierungen zugeführt wird größer als der Gewinn für die ausländischen Produzenten.

Argument der Umwelt: Importierter Zucker geht mit weiten Transportwegen einher, außerdem sind die Umweltauflagen für die Produktion in den außereuropäischen Ländern nicht so streng. Dies ist darüber hinaus ein finanzieller Nachteil für Produzenten aus Europa, der ihre Wettbewerbsfähigkeit einschränkt und z.B. mit Zöllen kompensiert werden kann.

Widerspruch: Der Vorteil der günstigeren Preise wird damit bezahlt, dass unsere Fabriken ihre Produktionskosten (Löhne etc.) drücken müssen oder schließen müssen (wie oben erwähnt).

Gewichtung: Ist dieser Vorteil groß genug, um den Nachteil in Kauf zu nehmen? Ist ein günstigerer Zuckerpreis ein so großer Profit für die Allgemeinheit? Werden die Endprodukte (z.B. Coca Cola) günstiger oder streifen die Unternehmen nur eine höhere Gewinnmarge ein? Diese Fragen können mit Studien, auf welche der Europäische Rechnungshof (Sonderbericht Nr. 6/2010) verweist, beantwortet werden, welche es als unwahrscheinlich ansehen, dass Preissenkungen an die Verbraucher weitergegeben werden, Preissteigerungen hingegen sehr wohl. (Das ist ähnlich wie beim Öl-Preis, wo sich günstigere Rohstoffpreise auch erst verzögert im Benzin- oder Dieselpreis wiederspiegeln.)

Frage des Fortschritts: Kann durch die Deregulierungen und die damit verbundene erhöhte Konkurrenz ein Fortschritt in der Produktion der europäischen Zuckerproduzenten erzielt werden?, oder wird die heimische Zuckerproduktion damit zu Grunde gerichtet? Der Zuckerpreis ist in Europa nach der Reform 2006 stark gesunken und liegt oft noch weit unter dem Weltmarktniveau. Es ist schwer vorzustellen, dass unter diesen Voraussetzungen ein Fortschritt möglich ist.

Frage des Profiteurs: Wer profitiert von einer Zuckermarktöffnung, sind es große Unternehmen/Investoren oder die Allgemeinheit? Wie sich schon gezeigt hat, spiegelt sich der gesunkene Zuckerpreis nicht in den Endprodukten wieder. Die Profiteure sind daher die zuckerverarbeitende Industrie und jene Produzenten die nach Europa exportieren, sowie die Invstoren hinter diesen Unternehmen. Hier stellt sich die Frage ob das Ziel der Politik sein sollte, denn diese Art von Abkommen/Verträgen werden von „demokratisch“ gewählten Politikern verhandelt und sollten demnach auch deren Wählern (Rübenbauern, Arbeitern in den Fabriken und Konsumenten...) den größten Profit bescheren.

Abschließend lässt sich also sagen, dass diese Reform einen fraglichen Nutzen mit sich zieht. Europa sollte aus eigenem Interesse daran arbeiten ein möglichst unabhängiger Selbstversorger zu sein.

Der vollständige Text ist hier, auf schriftensammlung.com zu lesen.

Weiterführende Informationen:
FAZ: "Die dunkle Seite des Zuckers"
Agrana
Zuckerverbände