Freitag, 23. Dezember 2016

Verbote – eine politische Lösung oder Problemverstärker?

Verbote sind in unserer Gesellschaft alltäglich und werden von der Politik oft als Lösung letzter Instanz verwendet. Aber nicht immer werden mit Verboten die gewünschten Effekte erzielt und der Zustand verschlechtert sich womöglich sogar. Vereinzelte Beispiele zeigen, dass eine Aufhebung der Verbote sogar eine Verbesserung der Umstände mit sich bringen kann. In diesem Text möchte ich deshalb Bereiche in der Gesellschaft betrachten, die mit Verboten versehen sind oder für die welche gefordert werden.

Vorab aber ein wenig Grundsätzliches zur Natur und Psychologie von Verboten. Diese stellen allgemein eine Einschränkung der Entscheidungsmöglichkeiten des Einzelnen dar, egal ob ihnen eine gute Intention zugrunde liegt, wobei "gut" an sich schon vom Betrachter abhängt und damit subjektiv ist. Die von den Betroffenen empfundene Einschränkung durch das Verbot, kann dann zu einer Abwehrreaktion, der Reaktanz, führen - solange die Möglichkeit besteht das Verbot zu umgehen oder los zu werden. Reaktanz ist ein Ausdruck des Dranges nach Freiheit, welcher uns angeboren ist. Es ist zum Beispiel nicht möglich Menschen dahingehend zu konditionieren auf ihre Freiheit zu verzichten, weshalb eine Gefängnisstrafe von gesunden Menschen immer abgestoßen werden wird.

Verbote haben also eine tendenziell destruktive Natur, da sie abstoßende Reaktionen hervorrufen, sofern sie nicht für jedermann einleuchtend begründet und nachvollziehbar sind (wie z.B. Geschwindigkeitsbeschränkungen). Reaktionen auf Verbote können sich außerdem in physischen Taten und Gewalt äußern. Eine Gesellschaft, die ohne Verbote auskommt, wäre daher erstrebenswert. Der Hauptgrund der so einen Zustand verhindert und Bedarf an Restriktionen schafft, ist ein Mangel an Bildung und Verantwortung in der Gesellschaft. Am einfachsten ist das am Beispiel Drogen gezeigt: Eine aufgeklärte Gesellschaft würde auch verantwortungsvoll mit Drogen umgehen, es mag zwar noch immer zu vereinzelten Unfällen in Verbindung mit Drogenkonsum kommen, aber das verhindert auch kein Verbot, wie uns die Realität zeigt.

Kurz noch zur Entstehung oder besser gesagt Forderung nach Verboten, diese ist vermutlich mit einem gewissen persönlichen Rachegedanken verbunden. Denn es sollte wohl jedem bewusst sein, dass ein Verbot schlussendlich nur eine psychologische Blockade darstellt und daher das Verbotene nie vollständig verhindern kann, wodurch die absolute Verhinderung einer Tätigkeit als Begründung für ein Verbot ausgeschlossen werden kann. Die Tatsache, dass jene die gegen es verstoßen aber bestraft werden können, stellt sicher eine gewisses Gefühl der Genugtuung und vor allem der Sicherheit dar.

Nachdem das gesagt ist, nun zu einigen Beispielen, anhand denen demonstriert werden kann, dass Verbote nicht immer notwendig oder sinnvoll sind. In der deutschen Ortschaft Bohmte wird seit Mai 2008 auf sämtliche Verkehrsschilder, Ampel und sonstige Regelungen verzichtet und zwar im Rahmen eines "Shared Space" Projekts. Das Projekt hat nicht zu einem Anstieg der Unfälle geführt und wurde allgemein positiv beurteilt. Es ist auch unschwer nachzuvollziehen warum es nicht zu einer Verschlechterung des Zustands gekommen ist: Ohne die Verkehrsregeln und die damit einhergehenden Gebote und Verbote, kann sich auch niemand darauf berufen im Recht zu sein, wenn es zu einem Unfall kommt. Das führt dazu, dass Autofahrer allgemein vernünftiger fahren – selbstverständlich unter der Voraussetzung, dass sie sich weiterhin an grundlegende Regeln halten, auch wenn diese nicht mehr gegeben sind. Das Verkehrsbeispiel soll an dieser Stelle aber nur die Psychologie veranschaulichen und nicht als Argument gegen die Straßenverkehrsordnung verstanden werden.

In Österreich kann das Verbotsgesetz meiner Meinung nach hinterfragt werden, denn man kann davon ausgehen, dass neonazistisches Gedankengut in unserer Gesellschaft nicht mehrheitstauglich ist und daher auch nicht von einer Partei genutzt werden kann, um einen erfolgreichen Wahlkampf zu betreiben. Darüber hinaus wird durch das Gesetz nicht verhindert, dass einige Ausnahmefälle sich dennoch des Nationalsozialismus bedienen. Das liegt unter anderem daran, dass das Verbot selbst, von diesen Personen, als Bestätigung ihrer Theorien gesehen wird. Das ist ein typisch fanatisches Vorgehen, mit dem so etwas gesagt wird wie: „Unsere Ideologie ist verboten, da man dem Volk schaden will“. Das Verbot wird also Teil der Begründung.

Die wahrscheinlich besten Beispiele für Verbote, die eine der erwarteten Wirkung entgegengesetze hervorrufen, sind die Alkohol- und die Cannabis-Prohibition. Während der Alkoholprohibition in Amerika ist der Konsum zwar gesunken (schlussendlich auf 50-70% des Niveaus vor der Prohibition), aber die Zahl der Verbrechen in Verbindung mit Alkohol ist stark gestiegen, vor allem Trunkenheit am Steuer. Der Konsum von Cannabis ist hingegen über den langen Zeitrum generell angetiegen. Einzig in Holland, wo er toleriert wird, konnte ein Zurückgehen des Konsums beobachtet werden. Die beiden Verbote haben neben diesen Entwicklungen außerdem dazu geführt, dass die entsprechenden Schwarzmärkte stärker denn je gewachsen sind oder überhaupt erst entstanden sind. Die illegale Herstellung erhöht darüber hinaus das Risiko gefährliche Substanzen in den Drogen zu finden oder das diese generell von minderwärtiger Qualität sind. Eine Aufhebung des Cannabis-Verbots würde also den Schwarmärkten ihre Existenzgrundlage nehmen und gleichzeitig die zum Scheitern verurteilte Drogenbekämpfung durch den Staat überflüssig machen. Eine Legalisierung sollte jedoch mit ausreichend Aufklärung einhergehen, welche leicht mit den erzielbaren Streueinnahmen finanziert werden könnte.

Abschließend noch ein Gedankenexperiment: Man stelle sich vor die US-Regierung hätte die Absicht eine radikale Änderung des Waffenrechts durchzuführen – wobei das wohl nur eine Regulierung sein kann. Abgesehen davon, dass dieses Vorhaben nicht durchsetzbar wäre, würde es ein riesiges Problem verursachen. Denn sämtliche Waffen die im Umlauf sind, sind es weiterhin und sie aus dem Verkehr zu ziehen wäre nahezu unmöglich. Folgende Entwicklungen wären bei einer starken Regulierung oder gar einem Verkaufsverbot also absehbar: Illegaler Waffenhandel wird ein größeres Problem denn je, da er aufgrund des fehlenden Angebots sehr profitabel ist. Des weiteren wird eine illegale Branche der Waffenherstellung entstehen. Personen greifen womöglich auf 3D-Drucker zurück um die Plastikteile für Waffen zu produzieren und Waffen der Marke Eigenbau würden generell ein erhöhtes Sicherheitsrisiko darstellen. Die Polizei hätte außerdem bei der Bekämpfung des Waffenhandels das Problem, dass sie mit absoluter Sicherheit mit sehr gefährlichen Situationen rechnen muss.

Deshalb kann auch hier wieder gesagt werden, dass ein Verbot der falsche Weg ist und stattdessen wieder Bildung und Aufklärung notwendig sind. Es muss sicher gestellt sein, dass Waffen nicht an Menschen mit Vorstrafen verkauft werden und auch psychologische Untersuchungen könnten angewendet werden. Um ein Auto in der Öffentlichkeit zu fahren ist ein Führerschein notwendig, was die meisten wohl für selbstverständlich halten, gleichfalls sollten Waffen nur mit ausreichendem Training in der Öffentlichkeit getragen werden dürfen. Eine Waffe in der Hand eines gut geschulten und informierten Waffenbesitzers kann durchaus zur öffentlichen Sicherheit beitragen, keinesfalls aber in den Händen von jemandem der nicht damit umgehen kann.

Unserer Gesellschaft ist eine wichtige Tatsache weitestgehend unbekannt – die Psychologie des Tötens. Noch im Zweiten Weltkrieg hat die große Mehrheit der Soldaten entweder gar nicht geschossen oder beim Schießen bewusst am Gegner vorbei geschossen. Dave Grossman führt diese Beobachtungen, in seinem sehr informativen Buch „On Killing“, auf den menschlichen Widerstand gegen das Töten zurück. Das in unserer Gesellschaft ein derart falsches Bild des Tötens besteht, liegt auch daran, dass Krieg in Medien und Filmen verzerrt dargestellt wird. Soldaten werden zu Helden welche ohne Hemmungen auf ihre Gegner schießen, die psychologischen Folgen dessen finden wenig Beachtung. Auch reale Kampfszenen vermitteln nicht die Emotionen welche mit dem Kampf verbunden sind und welche beim Töten auf die Soldaten wirken. Diese Aufklärung wäre für potentielle Waffenbesitzer, welche eine Waffe für ihre Selbstverteidigung kaufen möchten, absolut notwendig. Viele würden auf einen Kauf dann womöglich verzichten oder wüssten zumindest, was sie zu erwarten haben, wenn sie eines Tages Gebrauch von ihrer Waffe machen müssen.

Der einzelne kann für sich selbst entscheiden ob er sich an ein Verbot halten möchte oder ob er gewillt ist die Verantwortung zu übernehmen (und das Gesetz zu brechen), welche ihm durch die Nichteinhaltung zukommt. Zu diesem Zweck hilf zum Beispiel Immanuel Kant mit dem kategorischen Imperativ, welcher im Grunde sagt: Eine Handlung ist moralisch wenn man sich das ihr zugrunde liegende Prinzip verallgemeinert und als Gesetz niedergeschrieben vorstellen kann, ohne auf einen Widerspruch zu stoßen. Sprich, wenn jeder so wie man selbst handeln könnte, ohne dass jemandem geschadet wird. Noch einfacher macht es die Feststellung, wenn durch die Nichteinhaltung eines Gesetzes (Verbots) niemand Schaden nimmt, denn wie sinnvoll ist dieses Gesetz dann? Gerade beim Thema Drogen wird das tragend, denn da der Kauf und Konsum ohnehin nicht verhindert werden kann, wäre es an der Zeit den Menschen selbst die Verantwortung über diese Tätigkeiten zu überlassen. Anders ist es beispielsweise wieder bei der Fahrgeschwindigkeit im Straßenverkehr: Man kann sich schwer vorstellen, dass etwa bei einer Geschwindigkeitsbeschränkung von 70km/h im Ortsgebiet, nicht mehr Personen Schaden nehmen würden.

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