Dienstag, 6. Dezember 2016

Nicht vergessen: Das Staatsschutzgesetzes ist in Kraft, auch wenn davon nichts mehr zu hören ist

Das Staatsschutzgesetzes (PStSG) ist ein hervorragendes Beispiel, das demonstriert welche Macht den Medien heutzutage zukommt: Sie haben wenig vom Staatsschutzgesetz berichtet und wenige Fakten dazu geliefert, seit es am 01.07.2016 in Kraft getreten ist, ist es völlig aus den Medien verschwunden. Ein Überwachungsgesetz wurde unauffällig und ohne großen Widerstand, mit fast kompletter Zustimmung seitens der Regierungsparteien im Nationalrat, hinter dem Rücken der abgelenkten Bevölkerung eingeführt.

Am 23 Jänner 2016, kurz vor Beschluss des Gesetzes im Nationalrat, hat der AKVorrat eine Demonstration vor dem BVT veranstaltet – rund 150 Personen sind gekommen, man sieht der Widerstand ist gering, wenn von der Bevölkerung nicht klar ersichtlich ist welche Probleme durch ein Gesetz entstehen und wie sie persönlich betroffen sind. Trotz 18 Stellungnahmen von Richtervereinigung, Arbeiterkammer oder Wirtschaftskammer usw. erachtete man es nicht als notwendig auf die Kritik einzugehen und das Gesetz umfangreich zu ändern, ohne eine Unterstützung aus der Bevölkerung ist die Kritik schwach und kann ignoriert werden, denn es merkt kaum wer, schon allein wegen der fehlenden Berichterstattung. Es ist geradezu ironisch, dass die Medien diesem Gesetz wenig Aufmerksamkeit gewidmet haben, denn gerade Journalisten werden unter dem Staatsschutzgesetz mitunter schnell zu Verdächtigen, sollten diese im Rahmen von Ermittlungstätigkeiten Kontakte zu Islamisten oder anderen radikalen Personen pflegen. Obschon, die betroffenen Journalisten haben zu dem Gesetz sehr Wohl Stellung genommen, in kritischen Tönen. Die einigen positiven Stellungnahmen zu dem Gesetz stammen bezeichnender Weise aus anderen Ministerien oder Landesregierungen.

Ein weiterer Indikator an dem sich eine geringe mediale Aufarbeitung des Gesetzes festmachen lässt, ist eine Online-Petition des AKVorrat, diese wurde von ganzen 30.078 unterzeichnet. Das zeigt eine ziemliche Gleichgültigkeit gegenüber dem Gesetz, das unter Umständen einmal jeden von uns betreffen könnte. Doch wer ist dieser AKVorrat eigentlich? Der Arbeitskreis Vorratsdaten Österreich, ist, wie sein Name erahnen lässt, aus dem Widerstand gegen die Vorratsdatenspeicherung (die mittlerweile durch den Europäischen Gerichtshof aufgehoben wurde) entstanden und hat das Ziel einen zeitgemäßen Datenschutz umzusetzen.

An dem kaum vorhandenen Widerstand gegen das PstSG lässt sich noch eine Vermutung ablesen: Vor dem Gesamtbild der angespannten Situation Ende 2015 – Flüchtlingskrise und Terroranschläge in Frankreich – haben sich umso weniger Menschen überzeugen lassen, ein als anti-terror Maßnahme verkauftes Gesetz, zu kritisieren. Ein weiteres interessantes Detail betrifft den Gesetzgebungsprozess selbst, welcher mehr als undurchsichtig gestaltet war, laut dem AKVorrat waren die Konsultationen im Vorfeld nicht öffentlich. Es war also nicht gewünscht, dass Informationen zum Gesetz zur Bevölkerung vordringen.

Was ist aber die konkrete Kritik an dem Gesetz?, ich werde hier einige Punkte aufzählen. Laut Richtervereinigung verlangt der Gesetzesentwurf selbst Strafrechtsexperten „ein hohes Maß an Mühe und Fleiß ab, den Bedeutungsgehalt des 'verfassungsgefährdenden Angriffs' nach dieser Definition (jener des Staatsschutzgesetzes) zu erschließen“. Ein verfassungsgefährdender Angriff ist eine jene Straftat, um die es zu verhindern, das Staatsschutzgesetz eine Überwachung erlaubt. Die Richtervereinigung verweist deshalb in ihrer Stellungnahme auf ein treffendes Zitat des Verfassungsgerichtshofes: „[...] dass der Gesetzgeber der breiten Öffentlichkeit den Inhalt seines Gesetzesbeschlusses in klarer und erschöpfender Weise zur Kenntnis bringen muss, da anderenfalls der Normunterworfene nicht die Möglichkeit hat, sich der Norm gemäß zu verhalten. Diesem Erfordernis entspricht weder eine Vorschrift, zu deren Sinnermittlung qualifizierte juristische Befähigung und Erfahrung sowie geradezu archivarischer Fleiß vonnöten ist, noch eine solche zu deren Verständnis subtile verfassungsrechtliche Kenntnisse, außerordentliche methodische Fähigkeiten und eine gewisse Lust zum Lösen von Denksport-Aufgaben erforderlich ist.“ Die schwammigen Formulierungen lassen obendrein Spielraum für Missbrauch offen. Laut Richtervereinigung ist der Gesetzgeber außerdem eine Rechtfertigung, für die starke Ausweitung der Eingriffsmöglichkeiten des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) auf „viel zu viele“ Delikte, schuldig. Auch die umstrittenen V-Leute die vom BVT durch das Gesetz eingesetzt werden können, sind zurecht umstritten, sie kommen meist aus dem kriminellen Umfeld, gegen das sie eingesetzt werden sollen – es fehlen die Zuverlässigkeitsvoraussetzungen. Außerdem besteht das Risiko einer Tatprovokation durch einen V-Mann, was zum Problem wird wenn der Beschuldigte diese begründen kann, denn dann trifft den Staatsanwalt die Beweislast. Dieses Problem wurde laut Richtervereinigung nicht vom Gesetzgeber berücksichtigt.

Zu einem weiteren Kritikpunkt zählt die Tatsache, dass das BVT durch das Staatsschutzgesetz im Grunde zu einem Geheimdienst wird und mit Nachrichtendienstbefugnissen ausgestattet wird. Das BVT hat Einsicht in die Daten von Behörden oder Firmen und wird dabei nur vom sogenannten Dreier Senat, bestehend aus Rechtsschutzbeauftragtem und Stellvertretern, kontrollier, unterliegt jedoch keiner richterlichen Kontrolle. Darüber hinaus kann das BVT die Akteneinsicht des Rechtsschutzbeauftragten einschränken, wenn das Bekanntwerden der Informationen, aus den Akten die „nationale Sicherheit oder die Sicherheit von Menschen gefährden würde“. Die Richtervereinigung merkt dazu folgendes an: „Unterstellt man dem Rechtsschutzbeauftragten nicht, dass er möglicherweise unter Begehung eines Amtsmissbrauchs streng geheime Informationen unbefugt weitergibt, kann man nur annehmen, dass die Gefährdung der nationalen Sicherheit oder von Menschen daraus resultiert, dass der RSB eine gewünschte Ermächtigung nicht erteilt, wenn er unbeschränkte Akteneinsicht hat.“ Eine nicht gerade beruhigende Erkenntnis.

Schließlich werden die Überwachungsdaten natürlich auch gespeichert und genau hier verursacht das Gesetz eine besonders grobe Diskrepanz, die Daten werden nämlich vom BVT für sechs Jahre gespeichert, aber wer darauf zugreift wird nur drei Jahre lang gespeichert. Außerdem dürfen die Überwachungsdaten an ausländische Geheimdienste weiter gegeben werden, der AKVorrat kritisiert, dass damit jeder Datenschutz hinfällig ist.

Abschließend ist noch zu sagen, dass mit dem Staatsschutzgesetz fortan auch „ideologisch motivierte“ Straftaten als verfassungsgefährdender Angriff angesehen werden können. „Ideologisch motiviert“ ist gerade in einer Zeit, in der die Bevölkerungen der Länder Europas mehr und mehr Unzufriedenheit zeigen - die Bilder der Demonstrationen aus Griechenland, Frankreich oder Groß-Britannien sind bekannt – eine gefährliche Formulierung. Sollte es auch bei uns zu derartigen Demos kommen, stellt sich die Frage, ob sich ein schwammig formuliertes Gesetz wie dieses, nicht schnell auf Aktivisten anwenden ließe. Laut AKVorrat umfasst der Strafkatalog, nämlich nicht nur demokratie- oder staatsfeindliche Handlungen.

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