Montag, 9. Januar 2017

Geplante Obsoleszenz - eine treibende Kraft oder eine getriebene?

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Geplante Obsoleszenz, oder auch geplanter Verschleiß, ist ein Phänomen, dem immer mehr Aufmerksamkeit zukommt, sowohl in den Medien als auch in der Bevölkerung. Jedoch wird sie allzu oft als isolierte Erscheinung betrachtet – ein Instrument, welches sozusagen auf freiwilliger Basis von Unternehmen angewandt wird – das ist aber keine treffende Darstellung, weshalb ich dieses Instrument im folgenden Text in das, es umgebende, Gesamtbild einbetten werde.

Zu allererst eine sehr gute Definition des Begriffs von Christian Kreiß, welcher ein erleuchtendes Buch zu dem Thema verfasst hat (Christian Kreiß - Geplanter Verschleiß): Geplanter Verschleiß ist „die gezielte, durch die Hersteller nicht offengelegte Reduzierung der ökonomischen Haltbarkeit von Produkten mit dem Zweck, bei den Kunden vorzeitige Ersatzkäufe auszulösen.“ Die Reduzierung der Haltbarkeit kommt genauer gesagt einer Preissteigerung gleich, da der Preis pro Nutzung dadurch folglich steigt. Wie die Definition außerdem andeutet muss das Instrument geplante Obsoleszenz außerhalb der Kundenwahrnehmung angewendet werden, sprich jene Informationen, die bei einem Produkt darauf hinweisen, dürfen für den Kunden nicht ersichtlich sein. Dazu gehören beispielsweise die Produktlebensdauer oder die Reparierbarkeit, sowie die Verfügbarkeit von Ersatzteilen. Instinktiv mag man vielleicht annehmen es wäre für die Hersteller schwer die Produktlebensdauer genau anzugeben, wie Herr Kreiß in seinem Buch jedoch darlegt, können diese die Lebensdauer ihrer Produkte exakt planen und tun dies auch.

Bei geplanter Obsoleszenz lassen sich des Weiteren drei Arten des Verschleißes abgrenzen:
  • Technische/funktionelle Obsoleszenz: Diese Art der Obsoleszenz liegt in der Natur des technischen Fortschritts und ist selten mit dem Ziel verknüpft, Kunden zu Ersatzkäufen zu zwingen. Pferdekutschen wurden beispielsweise durch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor ersetzt. Jedoch können Produkte absichtlich so gestaltet werden, dass ein Nachfolgemodell früher als notwendig erforderlich ist (z.B. absichtlich steigende technische Anforderungen eines Betriebssystems).
  • Qualitative Obsoleszenz: Dies ist jener Verschleiß der bewusst von Herstellern als Absatzinstrument genutzt wird. Ein klassisches Beispiel ist das Glühbirnenkartell. Der Verschleiß kann etwa durch den Einbau von Sollbruchstellen oder durch die Verwendung von Bauteilen minderer Qualität erzielt werden. Ein Beispiel dafür sind auch Drucker welche mit einem Zähler ausgestattet sind, der sie nur eine bestimmte Anzahl Seiten drucken lässt.
  • Psychologische Obsoleszenz: Hierbei handelt es sich um das Ausnutzen und Steuern von Modezyklen, wodurch voll funktionsfähige Produkte ersetzt werden – das Kaufbedürfnis ist rein psychologisch.

Wann kommt geplanter Verschleiß am ehesten zur Anwendung? Ein Faktor welcher die Anwendung des Instruments ermutigt ist die Marktsättigung, denn solange die Nachfrage höher ist als das Angebot ist es für Hersteller nicht sinnvoll kurzlebige Produkte zu produzieren, da sie diese ohnehin problemlos an den Mann bringen können. Ein weiterer Faktor ist die Kapitalmarkt- und Gewinnorientierung, welche praktisch bei allen Großkonzernen vorliegt: Aufgrund dieser sind die Unternehmen gezwungen ihren Aktionären Jahr für Jahr höhere Renditen zu ermöglichen, was im Normalfall eine Absatzsteigerung voraussetzt.

Welche Auswirkungen hat geplante Obsoleszenz im groben? Die zusätzlich verkauften Produkte müssen selbstverständlich auch erzeugt werden, was einen unnötigen Mehraufwand an Arbeitszeit und Ressourcen zur Folge hat. Darüber hinaus entsteht durch das verfrühte Ersetzen von Produkten logischerweise viel Abfall. Außerdem ist zusätzliche Werbung notwendig, um auf die neuen Produkte aufmerksam zu machen, was zu erhöhten Werbekosten führt.

Ursachen
Die Ursachen für die kürzer werdende Lebensdauer unserer Konsumgüter (im B2B-Bereich ist geplanter Verschleiß nämlich sehr unüblich, da hier der Verkäufer keinen Informationsvorteil gegenüber dem Käufer hat) hat ihre Ursachen im Wirtschafts- und Geldsystem. Der prominente Psychologe Edward Bernays formulierte bereits 1928 in seinem Buch Propaganda, dass die Nachfrage für die Erzeugnisse der Massenproduktion aktiv geschaffen werden muss (über Werbung) und sich nicht das Angebot nach der Nachfrage richtet, wie das in der handwerklichen Ökonomie der vorindustriellen Zeit der Fall war. Seit dem hat sich der Zustand nicht umgekehrt, sondern nur verstärkt.

Was ebenfalls am Geldsystem liegt. Denn dieses baut unter anderem auf zwei Prämissen auf: Nämlich, dass unbeschränkte Eigentumsanreicherung und Zinseszins gut und notwendig sind. Mathematisch führt das über die Exponentialfunktion aber einerseits zu einer Umverteilung von Reichtum und generiert außerdem einen regelrechten Wachstumszwang. Da nämlich die Zinsforderungen immer der Geldschöpfung vorauseilt (und diese wiederum der Wertschöpfung), besteht stets ein Mangel an Geld um die offenen Schulden zu bedienen. Die Zinsen werden also beglichen in dem Menschen für das aufzubringende Geld arbeiten oder andere für sich arbeiten lassen – Geld selbst kann nicht arbeiten, auch wenn diese Aussage sehr beliebt ist und sich schön anhört.

Rolle der Werbung
Die Werbung ist der Wirkstoff, um die Symptome von Wirtschafts- und Geldsystem zu befriedigen. Sie generiert in der Gesellschaft den Wunsch Produkte besitzen zu wollen (Materialismus) und regt zum Kaufen an (Konsumismus). Sinn der Werbung ist nicht das Informieren des Betrachters, sondern die Steigerung des Absatzes des werbenden Unternehmens. Um diesem Ziel nachzukommen sind beschönigende Darstellungen und Aussparungen der Negativseiten eines Produkts notwendig. Eine Werbung die objektiv informiert wäre logisch widersprüchlich mit ihrem Ziel – der Absatzsteigerung. Werbung bedient also den Wachstumszwang und schafft jene Nachfrage, die für Massenproduktion dringend notwendig ist.

Im Zusammenhang mit Werbung sind außerdem die Sozialen Netzwerke und sogenannte Datensammler (wie Acxiom) hervorzuheben. Je nach „Like-Verhalten“ kann nämlich die Persönlichkeit eines Facebook-Nutzers mit erschreckender Genauigkeit vorhergesagt werden. Die Datensammler verfügen aber nicht nur über Informationen aus den Sozialen Netzwerken, sondern sammeln sämtliche Daten die sie finden (erwerben) können, filtern diese und bieten sie für Werbezwecke an (Norbert Häring hat in seinem Buch „Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen“ ein hochinteressantes Kapitel zu diesem Thema verfasst). Diese Technologien öffnen gezielter und individueller Werbung Tür und Tor, was ein noch höheres Maß an geplanter Obsoleszenz ermöglicht. (Hierzu ein Videotipp)

Auch die Medien müssen an dieser Stelle erwähnt werden. Sie berichten zwar über geplanten Verschleiß aber nicht darüber welche Rolle Werbung dabei einnimmt. Einen Grund dafür erklärt Christian Kreiß in seinem Buch wieder sehr einprägsam: Die Medien erwirtschaften einen Großteil ihrer Einnahmen durch das Anbieten von Werbeflächen, sie haben also kein Interesse ihre Werbekunden in Artikeln anzuschwärzen.

Die Rolle der Gesellschaft
Die Gesellschaft hat insofern Einfluss auf die Anwendung des Instruments geplante Obsoleszenz, als dass sie darüber umfangreich informiert ist und genau das ist nur zu einem geringen Grad der Fall. Aufgrund der Desinformation der Gesellschaft durch Medien und auch Bildung im Hinblick auf die Funktionsweise unseres Wirtschaftssystems, hat die Gesellschaft des weiteren immer stärker werdende Symptome entwickelt: Sie lässt sich im groben als eine materialistische Konkurrenz- und Konsumgesellschaft beschreiben, nicht etwa als eine Kooperationsgesellschaft.

Die krankhaften Symptome der Gesellschaft verdeutlichen sich zum Beispiel in den Forderungen nach längeren Geschäftsöffnungszeiten, diese haben ihre Ursache entweder im Konsum- oder im Konkurrenzdrang. Vor allem der Konkurrenzdrang scheint eine besondere Rolle zu spielen, denn dieser hat auch den Arbeitsmarkt erfasst. Folglich muss man als Arbeitnehmer mehr Überstunden leisten, um nicht „überflüssig gemacht zu werden“, wie man im Englischen so schön sagt („to be made redundant“). Wer viele Überstunden leisten muss, hat selbstverständlich weniger Zeit für übrige Erledigungen und kann etwa erst später am Abend Einkäufe erledigen.

An dieser Stelle auch noch ein Zitat, welches die Ursache des Konkurrenzdrangs verdeutlicht: „Weil aus systemischen Gründen immer zu wenig Geld da ist, um alle Forderungen zu begleichen und sich die Lücke fortwährend vergrößert, verschärft sich auch der Konkurrenzkampf um das ständig zu knappe Tauschmittel laufend.“ Die systemischen Gründe wurden oben bereits erklärt, die Auswirkungen bekommt die gesamte Gesellschaft in Form von Konkurrenzkampf zu spüren. Die Lösung, um Praktiken wie dem geplanten Verschleiß als Gesellschaft zu entrinnen ist also Bildung und Interesse für das Thema. Es ist wichtig nicht nur einzelne Details zu erkennen sondern vor allem deren Zusammenhänge. Geplante Obsoleszenz ist nur möglich so lange die Mehrheit der Kunden – im weiteren Sinne die Bevölkerung – mitspielt.

Das ganze Bild im Überblick
Das Wirtschafts- und Geldsystem erzeugt also den (Wachstums-)Zwang, welcher zu geplantem Verschleiß führt. Medien und Bildung ermöglichen durch Desinformation - oder vorsichtiger ausgedrückt, durch das Aussparen von Information – das Funktionieren des Absatzinstruments. Und die Politik welche von Lobbyismus untergraben ist, ermöglicht die entsprechende Gesetzgebung.

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